BAG zur Versetzung eines Piloten ins Ausland

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 01.12.2022
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1866 Aufrufe

Unternehmensweite Versetzungsklauseln finden sich in zahlreichen Arbeitsverträgen. Sie sollen es dem Arbeitgeber ermöglichen, einen Arbeitnehmer ggf. auch in einen anderen Betrieb an einem anderen Ort zu versetzen. Das BAG hält solche Klauseln, auch wenn Sie keine einschränkenden Voraussetzungen nennen, für AGB-rechtskonform. Dahinter steht erkennbar der Gedanke, dass den berechtigten Interessen des Arbeitnehmers in der nachgelagerten Ausübungskontrolle Rechnung getragen werden kann. Hier wird genauer hingeschaut und geprüft, ob die Versetzungsanordnung billigem Ermessen im Sinne des § 106 GewO entspricht.

Ein neues Urteil des BAG (30. November 2022 – 5 AZR 336/21, PM 45/22) bewegt sich ebenfalls auf dieser Linie und hält sogar eine Versetzung ins Ausland für zulässig. Der Fall spielt in der Luftfahrbranche und ist insofern speziell gelagert. Die Entscheidung könnte aber auch für grenzüberschreitend tätige Unternehmen bedeutsam sein. Konkret liegt der jetzt entschiedene Fall wie folgt:

Der Kläger ist seit mehreren Jahren bei einem international tätigen Luftverkehrsunternehmen mit Sitz im europäischen Ausland – als Pilot beschäftigt. Arbeitsvertraglich war die Geltung irischen Rechts und ein Jahresgehalt von 75.325,00 Euro brutto vereinbart. Aufgrund eines von dem beklagten Luftverkehrunternehmen mit der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC), deren Mitglied der Kläger ist, geschlossenen Vergütungstarifvertrags verdiente er zuletzt 11.726,22 Euro brutto monatlich. Stationierungsort des Klägers war der Flughafen Nürnberg. Der Arbeitsvertrag sieht vor, dass der Kläger auch an anderen Orten stationiert werden könne. Aufgrund der Entscheidung, die Homebase am Flughafen Nürnberg aufzugeben, versetzte die Beklagte den Kläger zum 30. April 2020 an ihre Homebase am Flughafen Bologna. Vorsorglich sprach sie eine entsprechende Änderungskündigung aus, die der Kläger unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung annahm. Der Kläger wehrt sich gegen die Versetzung hat damit jedoch beim BAG keinen Erfolg.

Sei – wie im Streitfall – arbeitsvertraglich ein bestimmter inländischer Arbeitsort nicht fest vereinbart, sondern ausdrücklich eine unternehmensweite Versetzungsmöglichkeit vorgesehen, umfasse das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO auch die Versetzung an einen ausländischen Arbeitsort. Eine Begrenzung des Weisungsrechts auf Arbeitsorte in der Bundesrepublik Deutschland sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Die Maßnahme entspreche auch billigem Ermessen entsprach und halte damit der Ausübungskontrolle stand. Die Versetzung sei Folge der unternehmerischen Entscheidung, die Homebase am Flughafen Nürnberg aufzugeben. Damit sei die Möglichkeit, den Kläger dort zu stationieren, entfallen. Die Beklagte habe das für einen solchen Fall in dem mit der Gewerkschaft VC geschlossenen Tarifsozialplan vereinbarte Verfahren eingehalten. Offene Stellen an einem anderen inländischen Stationierungsort habe es nicht gegeben, ein Einsatz als „Mobile Pilot“ sei nicht möglich gewesen, eine Base-Präferenz habe der Kläger nicht angegeben, alle am Flughafen Nürnberg stationierten Piloten seien an einen Standort in Italien versetzt worden. Die Weisung der Beklagten lasse den Inhalt des Arbeitsvertrags, insbesondere das arbeitsvertragliche Entgelt, unberührt. Dass der Kläger den Anspruch auf das höhere tarifliche Entgelt verliere, liege an dem von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Geltungsbereich des Vergütungstarifvertrags, der auf die in Deutschland stationierten Piloten beschränkt sei. Zudem sehe der Tarifsozialplan vor, dass Piloten, die an einen ausländischen Stationierungsort verlegt werden, zu den dort geltenden Arbeitsbedingungen, insbesondere den dortigen Tarifgehältern, weiterbeschäftigt werden. Es sei auch nicht unbillig iSd. § 106 Satz 1 GewO, wenn die Beklagte mit der Versetzung verbundene sonstige Nachteile des Klägers, der seinen Wohnort Nürnberg nicht aufgeben will, finanziell nicht stärker ausgleicht, als es im Tarifsozialplan vorgesehen ist. Weil die Versetzung des Klägers bereits aufgrund des Weisungsrechts der Beklagten wirksam gewesen sei, sei es auf die von ihr vorsorglich ausgesprochene Änderungskündigung nicht mehr angekommen.

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