AG Schmallenberg: "Tat im Bußgeldbescheid bitte konkretisieren! Sonst besteht Verfahrenshindernis!"

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 30.01.2023
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1871 Aufrufe

Wer angeklagt wird oder nach Einspruchseinlegung ins gerichtliche Bußgeldverfahren wechselt, der darf schon erwarten, dass die ihm vorgeworfene Tat hinreichend konkretisiert wird. Immerhin muss er wissen, wogegen er sich genau verteidigen soll. Zumindest Tatort, Tatzeit und auch der Vorwurf an sich müssen erkennbar sein. In OWi-Verfahren werden an die Tatbeschreibung nicht allzu hohe Voraussetzungen geknüpft werden. Dem AG Schmallenberg reichten die Angaben im Bußgeldbescheid nicht. Leider ist nicht genau wiedergegeben, was im Bescheid denn überhaupt drin stand:

 

Das Verfahren wird nach den §§ 46 Abs. 1 OWiG, 206 a StPO auf Kosten der Staatskasse eingestellt.

Die dem Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

 

Gründe:

Es besteht ein Verfahrenshindernis, so dass das Verfahren nach den §§ 46 Abs. 1 OWiG, 206 a StPO durch Beschluss einzustellen war.

Der Bußgeldbescheid als Grundlage des Verfahrens ist nichtig.

Zur Bezeichnung der „Tat“ in § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG genügt die Angabe der allgemeinen („abstrakten“) gesetzlichen Tatbestandsmerkmale nicht. Vielmehr ist der Sachverhalt, in dem die Verwaltungsbehörde den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erblickt, unter Anführung der Tatsachen, die die einzelnen Tatbestandsmerkmale erfüllen, als geschichtlicher Lebensvorgang so konkret zu schildern, dass dem Betroffenen erkennbar wird, welches Tun oder Unterlassen Gegenstand der Ahndung sein soll und gegen welchen Vorwurf er sich daher verteidigen muss. Der Umfang der Tatschilderung wird maßgeblich von der Gestaltung des Einzelfalls und der Art der verletzten Vorschrift bestimmt, wobei keine überhöhten Anforderungen gestellt werden dürfen. Wesentlich für den Bußgeldbescheid als Prozessvoraussetzung ist seine Aufgabe, den Tatvorwurf in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht von anderen denkbaren Tatvorwürfen abzugrenzen. Diese Aufgabe erfüllt er in sachlicher Hinsicht, wenn nach seinem Inhalt kein Zweifel über die Identität der Tat entstehen kann, wenn also zweifelsfrei feststeht, welcher Lebensvorgang erfasst und geahndet werden soll. Mängel in dieser Richtung lassen sich weder mit Hilfe anderer Erkenntnisquellen, etwa dem Akteninhalt im Übrigen, ergänzen noch nachträglich, etwa durch Hinweise in der HV, „heilen“ (OLG Hamm, Beschl. v. 13.1.2022 − 5 RBs 278/21, NStZ 2022, 492). Er muss daher auch selbst die für seine Wirksamkeit notwendigen Voraussetzungen erfüllen, d. h. die Gefahr einer Verwechslung mit einer möglichen gleichartigen Ordnungswidrigkeit desselben Betroffenen ausschließen (BGH NJW 1970, 2222; OLG Bamberg Beschl. v. 18.11.2015 – 3 Ss OWi 1218/15, juris; OLG Hamm aaO; OLG Karlsruhe Beschl. v. 23.1.2020 – 1 Rb 21 Ss 967/19, juris, jew. mwN).

Der Bußgeldbescheid vom 27.05.2022 genügt auch, wenn man keine "überhöhten Anforderungen" stellt, nicht diesen Erfordernissen einer ausreichenden Konkretisierung der Tat.

Lediglich aus Bezeichnung in Klammern in der Überschrift "(Geländeveränderung, Anfüllung) lässt sich der konkrete Tatvorwurf erahnen. Es fehlen aber jedwede Angaben dazu, wie, womit und in welchem Umfang der Betroffene die Anfüllung vorgenommen hat.

Diese ist zwar auf den Lichtbildern Bl. 7 d. A. zu sehen. Die Lichtbilder sind aber nicht Gegenstand des Bußgeldbescheids und können als Akteninhalt nach der Rechtsprechung des BGH und der OLGs nicht die Mängel des Bußgeldbescheids heilen. Die gilt auch für etwaige Hinweise in der Hauptverhandlung auf den Akteninhalt (OLG Hamm, NStZ 2022, 492 Rn. 5).

Hinzu kommt, dass jedwede Zeitangaben fehlen.

Damit ist der Bußgeldbescheid mangels Konkretisierung so schwerwiegend fehlerhaft, dass er unwirksam ist und ein Verfahrenshindernis besteht (s. wiederum OLG Hamm, a.a.O.)

Auch die nach Anhörung der Staatsanwaltschaft von dieser beantragte Zurückweisung des Verfahrens an die Bußgeldbehörde nach § 69 Abs. 5 OWiG kam nicht in Betracht. Denn diese ist nur zulässig, wenn der Sachverhalt ungenügend aufgeklärt wurde (vgl. dazu KK-OWiG/Ellbogen, 5. Aufl. 2018, OWiG § 69 Rn. 119, Katholnigg NJW 1998, 568, 570; s. a. Helmken NZV 1997, 289, 292; sowie Nr. 283 RiStBV). Sie ist nicht möglich, wenn der Bußgeldbescheid selbst unter Mängeln leidet, die ihn nichtig machen. Eine Nachbesserung durch die Bußgeldbehörde ist nicht möglich, wobei diese nach Zurückweisung, soweit Verjährung nicht eingetreten ist, das Verfahren wieder aufgreifen und einen wirksamen neuen Bußgeldbescheid erlassen kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO. Die Voraussetzungen für ein Absehen der Erstattung der notwendigen Auslagen nach den Abs. 3 bis 5 liegen nicht vor.

AG Schmallenberg, Beschluss v. 17.8.2022 - 6 OWi 140 Js 692/22 (14/22)

 

 

Klar ist: Ist nicht ausreichend konkretisiert, fehlt eine Verfahrensvoraussetzung und das beim Amtsgericht anhängige Verfahren ist (außerhalb der Hauptverhandlung) wegen eines Verfahrenshindernisses nach § 206a StPO einzustellen. Wird das Verfahrenshindernis erst im HVT offenbar, so ist ein Einstellungsurteil nach § 260 Abs. 3 StPO zu sprechen.

 

 

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