Lachen ist menschlich

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 23.01.2023
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1642 Aufrufe

Kann Lachen ein ungebührliches Verhalten, ja eine grobe Pflichtverletzung mit der Folge sein, dass der betreffende ehrenamtliche Richter des Amtes zu entheben ist? Mit dieser Frage hat sich jüngst das LAG Berlin-Brandenburg (28.12.2022 - 2 SHa-EhRi 7013/22, BeckRS 2022, 39679) beschäftigt. Der streitgegenständliche Vorfall ereignete sich im Rahmen eines Kammertermin vor dem ArbG Berlin. Der Sachverhalt wird nun wie folgt geschildert: „In diesem Rechtsstreit stritten die Parteien im Rahmen eines einstweiligen Verfahrens auf Erlass einer Beschäftigungsverfügung um die Abgabe einer sogenannten Konfliktmineraliendeklaration (CMRT) durch den Verfügungskläger zum Bezug von Rohstoffen bzw. weiterverarbeiteten Rohstoffen durch die Verfügungsbeklagte aus Konfliktregionen, in den Rohstoffe auch unter menschenrechtswidrigen Umständen wie Kinderarbeit gewonnen werden. Der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten erläuterte zu Beginn der Verhandlung die Bedeutung dieser Deklaration und in welchem Zusammenhang diese abzugeben sei, wobei er sich zur Verdeutlichung der Metapher der sogenannten „Rohstoffe wie Blutdiamanten“ bediente. In der sich daran anschließenden langen Verhandlung beanstandete der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten mehrfach, dass die Vorsitzende keinen Blickkontakt mit ihm im Dialog halte. Zum Ende der Verhandlung, als sich der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten in einem längeren Austausch mit dem Verfügungskläger befand, lachte der ehrenamtliche Richter A laut über die Ausführungen. Der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten empfand dieses Lachen als ein verletzendes, sich über andere aufschwingendes Lachen. Daraufhin stellte der Verfahrensbevollmächtigte einen Befangenheitsantrag, welchem das ArbG Berlin stattgab.“

Die Senatsverwaltung (die Antragstellerin in diesem Verfahren) meinte im Rahmen LAG Berlin-Brandenburg eingegangenen Antragsschrift, dass der ehrenamtliche Richter gemäß § 27 ArbGG seines Amtes zu entheben sei, weil er seine Amtspflichten grob verletzt habe. Das LAG ist dem nicht gefolgt. Die Bewertung der Verletzung als „grob“ habe sowohl nach objektiven als auch nach subjektiven Gesichtspunkten zu erfolgen. Objektiv liege eine grobe Pflichtverletzung dann vor, wenn es sich im konkreten Fall um einen schwerwiegenden Verstoß gegen eine Amtspflicht handele, der es erforderlich mache, zur Wahrung des Ansehens der Rechtspflege den Richter seines Amtes zu entheben. Dies könne beispielsweise bei der wiederholten Verletzung der Pflicht zur Wahrung des Beratungsgeheimnisses oder einer beständigen Verweigerung der Eidesleistung der Fall sein. Grundsätzlich müsse aber eine gewisse Beharrlichkeit der Pflichtverletzung vorliegen oder die singuläre Pflichtverletzung so gewichtig sein, dass ein weiteres Festhalten am ehrenamtlichen Richterverhältnis der Wahrung des Ansehens der Rechtspflege entgegenstehe.

Daran fehle es im vorliegenden Fall. Der ehrenamtliche Richter habe zwar im streitigen Verfügungsverfahren gelacht, und zwar sowohl im Zusammenhang mit dem Begriff der „Blutdiamanten“ als auch im Zusammenhang mit der Forderung des Verfahrensbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten, dass die Vorsitzende Richterin ihn anzusehen hätte. Allerdings bleibe unwidersprochen und unstrittig, dass auch vor dem Befangenheitsantrag nicht nur der ehrenamtliche Richter, sondern auch andere Verfahrensbeteiligte gelacht haben. Eine Beharrlichkeit der Pflichtverletzung des seit 2019 berufenen ehrenamtlichen Richters oder gar eine verfassungsfeindliche Gesinnung konnte die Kammer nicht erkennen. Endlich sei die beschriebene Prozesssituation der Auslöser für das – pflichtwidrige – Lachen des ehrenamtlichen Richters und keine Ablehnung in Form eines Auslachens der berechtigten Forderung nach Deklaration von Rohstoffen, die unter menschenunwürdigen Umständen wie etwa Kinderarbeit gewonnen werden.

 

 

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