BAG zur Verjährung von Urlaubsabgeltungsansprüchen

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 02.02.2023
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1810 Aufrufe

Das BAG entwickelt im Wechselspiel mit dem EuGH das Urlaubsrecht Schritt für Schritt fort. So hatte der zuständige 9. Senat Ende vergangenen Jahres (Urteil vom 20.12.2022- 9 AZR 266/20 – Pressemitteilung Nr. 48/22) entschieden, dass Urlaubsansprüche verjähren können, die dreijährige Verjährungsfrist jedoch erst am Ende des Kalenderjahres beginnt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch informiert und ihn im Hinblick auf Verfallfristen aufgefordert hat, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Habe der Arbeitgeber diesen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen, könne der nicht erfüllte gesetzliche Urlaub aus möglicherweise mehreren Jahren im laufenden Arbeitsverhältnis weder nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen noch nach § 195 BGB verjähren und sei bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten.

In seiner neuesten Entscheidung geht das BAG (Urteil vom 31.1.2023 – 9 AZR 456/20 – PM 5/23) nunmehr allerdings um den Urlaubsabgeltungsanspruch und seine zeitlichen Schranken. Über folgenden Fall war zu befinden: Die Beklagte betreibt eine Flugschule. Sie beschäftigte den Kläger seit dem 9. Juni 2010 als Ausbildungsleiter, ohne ihm seinen jährlichen Urlaub von 30 Arbeitstagen zu gewähren. Unter dem 19. Oktober 2015 verständigten sich die Parteien darauf, dass der Kläger in der Folgezeit als selbstständiger Dienstnehmer für die Beklagte tätig werden sollte. Mit der im August 2019 erhobenen Klage verlangte der Kläger ua. Abgeltung von Urlaub aus seiner Beschäftigungszeit vor der Vertragsänderung. Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung.

Beim BAG hat der Kläger teilweise Erfolg. Das BAG betont, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch seinerseits der Verjährung unterliege. Die dreijährige Verjährungsfrist für den Abgeltungsanspruch beginne in der Regel am Ende des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es auf die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten ankomme. Die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses bilde eine Zäsur. Der Urlaubsabgeltungsanspruch sei anders als der Urlaubsanspruch nicht auf Freistellung von der Arbeitsverpflichtung zu Erholungszwecken unter Fortzahlung der Vergütung gerichtet, sondern auf dessen finanzielle Kompensation beschränkt. Die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers, aus der der EuGH die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme von Urlaub ableitet, ende mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Nun gibt es aber noch eine Besonderheit hinsichtlich des Beginns der Verjährung. Bei einer verfassungs- und unionsrechtskonformen Anwendung der Verjährungsregelungen kann nämlich die Verjährungsfrist nicht beginnen, solange eine Klageerhebung aufgrund einer gegenteiligen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zumutbar ist. Von dem Kläger konnte – so das BAG- bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 19. Oktober 2015 nicht erwartet werden, seinen Anspruch auf Abgeltung des bis dahin nicht gewährten Urlaubs aus den Jahren 2010 bis 2014 gerichtlich durchzusetzen. Der Senat sei zu diesem Zeitpunkt noch davon ausgegangen, dass Urlaubsansprüche mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums unabhängig von der Erfüllung von Mitwirkungsobliegenheiten automatisch verfielen. Erst nachdem der EuGH mit Urteil vom 6. November 2018 neue Regeln für den Verfall von Urlaub vorgegeben hätte, sei der Kläger gehalten gewesen, Abgeltung für die Urlaubsjahre von 2010 bis 2014 gerichtlich geltend zu machen. Demgegenüber sei der Anspruch des Klägers auf Abgeltung von Urlaub aus dem Jahr 2015 verjährt. Schon auf Grundlage der früheren Rechtsprechung habe der Kläger erkennen müssen, dass die Beklagte Urlaub aus diesem Jahr, in dem das Arbeitsverhältnis der Parteien endete, abzugelten hatte. Die dreijährige Verjährungsfrist hat deshalb nach Ansicht des BAG Ende des Jahres 2015 begonnen und endete mit Ablauf des Jahres 2018. Der Kläger hatte die Klage erst im Jahr 2019 erhoben.

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