Standardfehler: Die Wiedergabe der Einlassung fehlte im tatrichterlichen Urteil

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 20.03.2023
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht2|1960 Aufrufe

Sowas ist schade. Alle Mühen umsonst. Nur weil das AG vergessen hatte, die Einlassung mitzuteilen, wurde das Urteil aufgehoben. Vollkommen richtig und entsprechend der einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung:

Die Generalstaatsanwaltschaft hat sich in ihrer Stellungnahme vom 6. Januar 2023 insoweit der Begründung der Rechtsbeschwerde angeschlossen und zur Rechtsfehlerhaftigkeit von Beweiswürdigung und Feststellungen Folgendes ausgeführt:

 „Das Urteil ist - auch eingedenk des Umstandes, dass an die Urteilsgründe in Bußgeldverfahren keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen sind - bereits deshalb aufzuheben, weil die Beweiswürdigung in Bezug auf die getroffenen Feststellungen lückenhaft ist; diese vermag daher dieselben nicht in einer für das Rechtsbeschwerdegericht rechtlich überprüfbaren Weise zu tragen. So müssen die schriftlichen Urteilsgründe nicht nur die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, sondern neben anderem auch erkennen lassen, ob und wie sich der Betroffene eingelassen hat, ob der Richter der Einlassung folgt oder diese für widerlegt ansieht (OLG Celle, Beschluss vom 9. April 2020 - 1 Ss (OWi) 4/20 -, juris; OLG Celle, Beschluss vom 27. September 2019 - 2 Ss Owi 260/19 -; OLG Bamberg, Beschluss vom 9. Juli 2009 - 3 Ss OWi 290/09 -, juris). Es bedarf einer geschlossenen und zusammenhängenden Wiedergabe der wesentlichen Grundzüge der Einlassung (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Februar 2017 - 2 (10) SsBs 740/16-AK 265/16, DAR 2017, 395). Jedenfalls dann, wenn die Möglichkeit besteht, dass sich der Betroffene in eine bestimmte Richtung verteidigt hat und nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Tatrichter die Bedeutung dieser Erklärung verkannt oder sie rechtlich unzutreffend gewürdigt hat, stellt diese Säumnis einen sachlich rechtlichen Mangel des Urteils dar (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Oktober 2016 - 1 Ss 55/06 - juris).

 Vorliegend lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, ob sich der Betroffene in der Hauptverhandlung zur Sache überhaupt geäußert oder von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat. Folglich verhält sich das Urteil auch nicht dazu, ob der Tatrichter eine etwaige Einlassung, und ggf. in welchem Umfang, für widerlegt angesehen hat.

OLG Koblenz Beschl. v. 18.1.2023 – 4 ORbs 31 SsBs 17/23, BeckRS 2023, 1195

 

 

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2 Kommentare

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Bei Geldbußen unter 250 Euro sollte sich aber auch die Frage stellen, ob nicht zugleich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliegt, wenn die Wiedergabe der Einlassung fehlt und der Betroffene sich zur Sache eingelassen hatte.

Ich kann das leider so auf die Schnelle nicht beantworten.

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In der Entscheidung des OLG Bamberg Beschl. v. 3.7.2018 – 3 Ss OWi 932/18, BeckRS 2018, 15195 hatte das OLG über die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu entscheiden, die sich gegen die Verurteilung des Betroffenen zu 85 Euro Geldbuße richtete. Das AG hatte die Einlassung des entbundenen Betroffenen in den Urteilsgründen nicht berücksichtigt, weil sie erst 20 Minuten vor dem Termin gefaxt wurde. Gleichwohl hatte das OLG die Rechtsbeschwerde zugelassen.

"Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil es geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 I Nr. 2, II Nr. 1 OWiG). Die Verfahrensrüge, das Gericht habe den Sachvortrag des Betr., bei Einleitung des Abbiegevorgangs mit seinem Fahrzeug sei kein weiteres Fahrzeug sichtbar gewesen und er habe den Abbiegevorgang sofort nach dessen Sichtbarwerden abgebrochen, übergangen bzw. nicht zur Kenntnis genommen, ist zulässig und auch begründet. Dieses Vorgehen verletzt den Anspruch des Betr. auf rechtliches Gehör (Art. 103 I GG)."

Siehe auch bei Carsten Krumm:
https://community.beck.de/2018/08/16/einlassung-des-entbundenen-betroffenen-ist-auch-zu-beruecksichtigen-wenn-sie-erst-20-min-vor-termin-gefaxt?page=1

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