HENNING KLEBT FEST! - im Sitzungssaal. Und nun?!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 24.02.2023
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht10|2174 Aufrufe

Köstlich. Klima-Kleber sind unbequem. Wollen sie ja auch sein. Terroristen sind sie sicher nicht. Durch die Tagespresse gestern ging ein junger Mann mit dem Vornamen Henning, der sich offenbar gegen einen Strafbefehl wehrte. Und wie es sich für einen Klima-Kleber gehört, klebte er sich fest. Diesmal dummerweise im AG Tiergarten. Meldung und Foto HIER. Die weitere Verfahrensweise des Gerichts war laut Presse wohl ein Hinausschaffen und Weiterverhandeln. Den Tisch durfte er sogar behalten und zog mit dem davon. Witzig! Ich fragte mich sofort: Ginge es auch prozessual anders?

Klar. Heißester Tipp für solche Fälle der Hauptverhandlung nach Einspruch gegen den Strafbefehl, wenn die Sitzung schon mit der Klebeaktion beginnt: Einfach kleben lassen. Die Sitzung gem. § 229 StPO für 5 Minuten unterbrechen und in einem anderen Sitzungssaal fortsetzen. Der Angeklagte muss dann zusehen, wie er rechtzeitig da ist. Wenn er eine*n Verteidiger*in hat, kann die/der dann für ihn auftreten, vgl. § 412 StPO. Man könnte die Anordnung des persönlichen Erscheinens dann einfach aufheben.

Wenn Henning sich bereits eingelassen hätte, bedürfte es noch nicht einmal der Aufhebung der Anordnung des persönlichen Erscheinens um normal zu verhandeln. Dann könnte man auch nach Unterbrechung und Fortsetzung 5 Minuten später an anderem Ort ohne ihn so verhandeln...vgl.

 

§ 232
Durchführung der Hauptverhandlung trotz Ausbleibens des Angeklagten
(1) Die Hauptverhandlung kann ohne den Angeklagten durchgeführt werden, wenn er ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, daß in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann, und wenn nur Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen, Verwarnung mit Strafvorbehalt, Fahrverbot, Einziehung, Vernichtung oder Unbrauchbarmachung, allein oder nebeneinander, zu erwarten ist. Eine höhere Strafe oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf in diesem Verfahren nicht verhängt werden. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist zulässig, wenn der Angeklagte in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
(2) Auf Grund einer Ladung durch öffentliche Bekanntmachung findet die Hauptverhandlung ohne den Angeklagten nicht statt.
(3) Das Protokoll über eine richterliche Vernehmung des Angeklagten wird in der Hauptverhandlung verlesen.
(4) Das in Abwesenheit des Angeklagten ergehende Urteil muß ihm mit den Urteilsgründen durch Übergabe zugestellt werden, wenn es nicht nach § 145a Abs. 1 dem Verteidiger zugestellt wird.

Diese Möglichkeit könnte man also auch in den Fällen einer normalen Verhandlung nach eröffneter Anklage wählen...

 

Ich frage mich dann noch, was eigentlich mit dem Tisch ist. Muss Henning den zurückbringen? Darf Henning den Tisch wegwerfen, verschenken, verkaufen? Vielleicht gar als Trophäe? Oder würde er sich etwa wegen Unterschlagung strafbar machen? Und wer entscheidet eigentlich so kurzfristig über das "Verschenken" eines Tisches? Wahrscheinlich bekomme ich darauf hier gar keine Antworten ;-)

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10 Kommentare

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Einen Tisch mit Sekundenkleber zu bestreichen stellt eine Sachbeschädigung nach § 303 StGB dar, und verpflichtet gemäß § 823 BGB zum Schadenersatz (§ 249 BGB, grundsätzlich Naturalrestitution, also Erstattung der Kosten für Kauf und Lieferung und Aufbau bzw. Einbau eines neuen gleichwertigen Tisches).

Außerdem käme wohl der Straftatbestand des § 240 StGB, also der Nötigung, in Bertracht.

Eventuell auch ein Ordnungsgeld?

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Weil der junge Mann meinte, er habe sich an den Tisch kleben müssen, stellt sich mir eher die Frage ob ihn nicht mal Psychiater anschauen könnte. 

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Sie meinen wohl die Anordnung einer MPU? Aber wir wissen doch gar nicht, ob der Täter überhaupt einen Führerschein hat. Und eine Klebeaktion im Gerichtsaal stellt wohl nicht die geistige oder charakterliche Eignung zur Teilnahme am Straßenverkehr oder zum Führen von Kraftfahrzeugen in Frage. Anders wäre es vielleicht, wenn er sich in der Ausfahrt oder Einfahrt zur Tiefgarage des Gerichts auf die Fahrbahn festklebt, oder auf der Straße vor dem Gericht.

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Anderen Quellen zufolge ist der Angeklagte außerdem in Berlin aus politischen Motiven unvermittelt und absichtlich trotz fließendem Verkehr bei Rot über eine Fußgängerampel bzw. über die Straße gelaufen, um die Autofahrer zu Gefahrenbremsungen zu zwingen, so daß es nur durch die Aufmerksamkeit und schnelle Reaktion der Autofahrer nicht zu einem Unfall kam, so daß also möglicherweise auch ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr vorliegt, der wohl eine Anordnung einer MPU oder Entziehung der Fahrerlaubnis (und ggf. eine Führerschein-Sperre) rechtfertigen könnte?

Falls der Täter sich mit anderen Mittätern oder Tatbeteiligten (etwa mit Unterstützern welche die Tat filmen und mithilfe der Tat-Videos bei Sympathisanten um Spenden werden) solchen oder gleichartigen Straftaten planmäßig verabredet hat, käme wohl vielleicht sogar auch der Straftatbestand der Bildung einer kriminellen Vereinigung in Betracht?

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Falls Blogleser*innen weitere Erfahrungen wünschen, kann man auch beim Protesttraining teilnehmen. HIER 

 

Die letzte Generation hat übrigens getwittert, dass "das Gericht alle Eigentumsrechte an dem Tisch aufgegeben" habe. Der Tisch gehöre jetzt Henning. Schön für ihn. 

Ich hätte gedacht, daß der Tisch im Eigentum des Bundeslandes, zu dem das Gericht gehört, steht.

Daß das Gericht (welches doch wohl keine juristische Person ist?) selber Eigentum an dem Tisch haben soll, und ihn übereignen darf, überrascht mich etwas.

Es ist auch nicht etwa zu erwarten, daß der Tisch im (privat-)Eigentum des Vorsitzenden stünde.

Aber, nunja, wenn Menschen sich schwer verständlich verhalten, schaffen sie nicht selten schwer verständliche Situationen. 

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Eine interessante Frage: Wem gehört das Eigentum an sachlicher Ausstattung eines Amtsgerichts und wer darf darüber verfügen?

Zuständig für die sachliche Ausstattung sind in der Regel die Präsidenten der OLGs bzw. ihre Justizverwaltungen. Sie kaufen und verwalten das benötigte Inventar eines Amtsgerichts. Streng genommen sollte sich in jedem Gerichtszimmer und in jedem Gerichtssaal eine Liste befinden, in der alle Ausstattungsgegenstände verzeichnet sind. Sicher kann das in dem einen oder anderen Bundesland anders geregelt sein.

Wenn auch die OLG-Verwaltung über Anschaffung und Aussonderung von Ausstattungsgegenständen entscheidet, dann erwirbt bzw. verfügt sie wohl kaum über das Eigentum des jeweiligen OLG Präsidenten, sondern vermutlich über das Eigentum des jeweiligen Bundeslandes. Die Entscheidung trifft der OLG-Präsident durch den zuständigen Beamten oder (weisungsgebundenen) Richter seiner Verwaltung und nicht ein die Sitzung führender Amtsrichter.

Sollte der Amtsrichter dem Henning tatsächlich erlaubt haben, den Tisch mitzunehmen, dann stellt sich die Frage der Strafbarkeit. Beihilfe zum Diebstahl, Veruntreuung?

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Vermutlich waren die Worte des Richters satirisch gemeint. Er machte sich damit wohl über das Verhalten des Angelagten, der sich im Gerchtsaal an einen Tisch festklebte, lustig. Allerdings scheinen der angeklagte Klimakleber und seine Gruppierung das wohl nicht verstanden zu haben, sondern seine Gruppe äußerte sich im Internet ja wohl quasi stolz darüber, daß der Tisch nun ihnen bzw. dem Angeklagten gehöre (quasi so als sei der Angeklagte ein erfolgreicher Eroberer und der Tisch seine Beute).

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