Nachtrag zu: Jetzt wir`s eng: Keine Anerkennung des EU-Führerscheins bei Scheinwohnsitz
Gespeichert von Carsten Krumm am
Vorab: Danke an Herrn Kalus! Dieser hat mir dankenswerterweise die Beschlussgründe des Beschlusses des OVG Münster vom 12.01.2009 - 16 B 1610/08 zugemailt, der bereits ansatzweise im Blog " Jetzt wir`s eng: Keine Anerkennung des EU-Führerscheins bei Scheinwohnsitz" diskutiert wurde. Hier auszugsweise:
"...Es gibt keinen Grund, in Fällen offenkundiger Verstöße gegen die Wohnsitzvoraussetzung danach zu differenzieren, ob sich die Offenkundigkeit aus einem Dokument des Ausstellerstaates oder aus Verlautbarungen oder Verhaltensweisen des Fahrerlaubnisinhabers ergibt. Das Wohnsitzerfordernis und seine strikte Beachtung tragen mangels einer vollständigen Harmonisierung der materiellen Bestimmungen über die Fahrerlaubniserteilung zur Bekämpfung des auch vom EuGH als Missstand wahrgenommenen Führerscheintourismus bei. Der EuGH weist in diesem Zusammenhang unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Generalanwalts in dessen Schlussanträgen ausdrücklich auf die Bedeutung des Wohnsitzerfordernisses für die Einhaltung der materiellen Standards bei der Führerscheinausstellung und damit für die Sicherheit des Straßenverkehrs hin. Dem ist einschränkungslos beizupflichten. Die in Rede stehenden Rechtsgüter - nicht nur das Abstraktum "Sicherheit des Straßenverkehrs", sondern Leib, Leben und Gesundheit einer nicht eingrenzbaren Vielzahl anderer Verkehrsteilnehmer - sind so gewichtig, dass in derartigen Fällen der Anerkennungsgrundsatz nach Art. 1 Abs. 2 Richtlinie 91/439/EWG dahinter zurücktritt. Der unabdingbare Schutz dieser Rechtsgüter schließt es aber auch aus, bei jeweils übereinstimmendem Gefährdungspotenzial Zufälligkeiten wie der Herkunft der Informationen, aus denen zweifelsfrei die Europarechtswidrigkeit der ausländischen Fahrerlaubnis folgt, entscheidenden Raum zu geben. Die individuelle Schutzwürdigkeit von "Führerscheintouristen", die einen Scheinwohnsitz angeben und insoweit die ausländischen Fahrerlaubnisbehörden täuschen, ist nicht höher, sondern im Gegenteil geringer als die derjenigen Fahrerlaubnisbewerber, die wie die Kläger der Ausgangsverfahren zu den EuGH-Urteilen vom 26. Juni 2008 im Hinblick auf den Wohnsitz ehrlich gegenüber den ausländischen Behörden waren und deshalb (nur) einen Führerschein mit deutscher Wohnsitzangabe erhalten haben. Belange des Schutzes der Freizügigkeit von Unionsbürgern stehen ohnehin nicht zur Diskussion, wenn sich die Beziehungen des Betroffenen zum Ausstellerstaat auf die Schaffung eines Scheinwohnsitzes und die Erlangung einer europarechtswidrigen Fahrerlaubnis beschränkt haben. Schließlich vermag auch der dem Anerkennungsgrundsatz des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG innewohnende Aspekt der gegenseitigen Respektierung von Rechtsakten anderer Mitgliedstaaten keine Differenzierung nach den für den unbestreitbaren Nachweis des Verstoßes gegen das Wohnsitzerfordernis heranzuziehenden Beweistatsachen oder Beweismitteln zu rechtfertigen. Denn der EuGH hat in den Urteilen vom 26. Juni 2008 zugelassen, dass die jeweiligen Fahrerlaubnisse wegen ihres rechtsfehlerhaften Zustandekommens aberkannt werden können; mit anderen Worten durfte die räumliche Geltung ausländischer Fahrerlaubnisse beschränkt werden, weil die betreffenden ausländischen Behörden das europäische Führerscheinrecht unrichtig angewandt hatten. Im Vergleich zu einem solchen Verdikt der flagranten Missachtung des Europarechts greift eine nachträgliche Geltungsbeschränkung von Fahrerlaubnissen weniger empfindlich in die Befugnisse und Verantwortlichkeiten des Ausstellerstaates ein, wenn dessen Fahrerlaubnisbehörde vom betreffenden Fahrerlaubnisbewerber über dessen Aufenthaltsverhältnisse getäuscht worden ist und davon ausgegangen werden kann, dass die Behörde ohne diese Täuschung selbst von der Fahrerlaubniserteilung Abstand genommen hätte. Im Falle des Antragstellers liegt der Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis aufgrund eigener Einlassungen bzw. eigenen Verhaltens deutlich zutage. Der Antragsgegner hat den Antragsteller im Verwaltungsverfahren mit Schreiben vom 5. Dezember 2007 zunächst mit dem Verdacht eines solchen Verstoßes konfrontiert und um nähere Darlegungen gebeten. Darauf ließ der Antragsteller durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 10. Januar 2008 antworten, er "stelle anheim, über das KBA eine entsprechende Mitteilung an den Ausstellerstaat zu machen". Damit hat er zugestanden, dass ein polnischer Wohnsitz nie bestanden hat...."