Erfolgreiche Verteidigung eines Deutschen in Österreich: Verfassungswidrige Abstandsmessung
Gespeichert von Carsten Krumm am
Diese Meldung ging gestern durch alle Medien: Ein Deutscher Fahrzeugführer, der mittels Videoabstandsmessung bei einem Abstandsverstoß überführt werden konnte, hat erfolgreich den gegen ihn gerichteten Bußgeldbescheid angefochten. Aus dem Urteilstenor des Urteils des Verfassungsgerichtshofs vom 9.12.2008 - B 1944/07-9 :
"Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben."
Sachverhalt:
"Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schwaz wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 30 Abs. 1 Z 4 Immissionsschutzgesetz-Luft iVm § 3 der Verordnung des Landes-hauptmannes von Tirol, mit der auf der A 12-Inntalautobahn zwischen Zirl-West und der Staatsgrenze mit der Bundesrepublik Deutschland für die Zeit von 1. November 2006 bis 30. April 2007 eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h festgesetzt worden ist, LGBl. 86/2006, und gemäß § 18 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung (im Folgenden: StVO), eine Geldstrafe in Höhe von insgesamt € 140,-- (36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Der Be-schwerdeführer habe auf einem näher bezeichneten Abschnitt der A 12-Inntalautobahn als Lenker eines Fahrzeuges die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 24 km/h überschritten und zu einem vor ihm am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre. Die Sachverhaltsfeststellungen zur gemessenen Geschwindigkeit und zum eingehaltenen Abstand wurden auf das geeichte videogestützte Geschwindigkeits- und Abstandsmessgerät Verkehrs-Kontroll-System, Version 3.0 Austria (VKS 3.0), Hersteller SUWO EDV-Service, gestützt. "
Letztlich fehlte dem Verfassungsgerichtshof die gesetzliche Grundlage für die Durchführung von Messungen mit dem System VKS 3.0. Natürlich kenne ich mich im österreichischen Verfassungsrecht nicht aus, doch wird offenbar aus dem Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums ein Grundrecht auf Datenschutz abgeleitet:
"Mit dem videogestützten Geschwindigkeits- und Abstandsmessgerät werden somit Videoaufnahmen all jener Fahrzeuge gemacht, die im Zeitpunkt der Messung den betreffenden Fahrbahn-abschnitt passieren, wobei - von den zwei weiteren Kameras - die Fahrzeugkategorie und auch etwaige Aufschriften auf den Fahrzeugen (zB die Namen natürlicher oder juristischer Personen, Markenzeichen usw.) und insbesondere auch das Kennzeichen der Fahrzeuge aufgenommen werden. Darüber hinaus kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Fahrzeuginsassen (je nach Qualität der Kameras und der Einstellwinkel) erkennbar sind. Die Abstands- und Geschwindigkeitsmessung mit dem videogestützten Geschwindigkeits- und Abstandsmessgerät basiert sohin auf der Ermittlung und Speicherung personenbezogener Daten. Im Unterschied zum automatischen Geschwindigkeitsmesssystem "Section Control" werden dabei zunächst die Daten aller Verkehrsteilnehmer gespeichert, unabhängig davon, ob eine Verwaltungsübertretung vorliegt oder nicht.
1.4. Für die Anforderungen an die gesetzliche Grundlage von Eingriffen in das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums, die sich auf die Verwendung personenbezogener Daten stützen, gelten die Bedingungen des § 1 Abs. 2 DSG 2000 sinngemäß. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist die Ermittlung und Verwendung personenbezogener Daten durch Eingriffe einer staatlichen Behörde wegen des Gesetzesvorbehalts des § 1 Abs. 2 DSG 2000 nur auf Grund von Gesetzen zulässig, die aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründen notwendig sind und ausreichend präzise, also für jedermann vorhersehbar regeln müssen, unter welchen Voraussetzungen die Ermittlung bzw. die Verwendung personenbezogener Daten für die Wahrnehmung konkreter Verwaltungsaufgaben zulässig ist (vgl. VfSlg. 16.369/2001). Der jeweilige Gesetzgeber muss somit nach § 1 Abs. 2 DSG 2000 eine materienspezifische Regelung in dem Sinn vorsehen, dass die Fälle zulässiger Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz konkretisiert und begrenzt werden.
1.5. Weder die Straßenverkehrsordnung (StVO) noch das Verwaltungsstrafgesetz (VStG) oder auch das Kraftfahrgesetz (KFG) enthalten jedoch eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung im Sinne des § 1 Abs. 2 DSG 2000 zum Einsatz entsprechender video-gestützter Geschwindigkeits- und Abstandsmesssysteme. § 100 Abs. 5b StVO regelt allein den Einsatz automatischer Geschwindigkeitsmesssysteme für die Feststellung der Überschreitung einer ziffernmäßig festgesetzten Höchstgeschwindigkeit. Auch der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat in seiner Stellungnahme festgehalten, dass weder die StVO noch das VStG nähere Bestimmungen hinsichtlich für die Abstandsmessung einzusetzender Messgeräte oder deren Funktionsweise enthielten. In § 134 Abs. 3 KFG ist lediglich allgemein davon die Rede, dass Geschwindigkeitsübertretungen "mit Messgeräten" festgestellt werden können. Daneben lässt sich auch aus den Regelungen der StVO betreffend die Zuständigkeit und die Aufgaben der Straßenpolizeibehörden ("Überwachung der Einhaltung straßenpolizeilicher Vorschriften", vgl. insb. § 94b Abs. 1 lit. a StVO) in Verbindung mit den allgemeinen Grundsätzen über die Verwendung von Daten aus dem 2. Abschnitt des DSG 2000 (s. insb. §§ 6, 7, 8 DSG 2000) keine Ermächtigung zum Einsatz eines solchen videogestützten Geschwindigkeits- und Abstandsmesssystems ableiten. "
Zum deutschen VKS 3.0: Schmidt in: Krumm/Kuhnert/Schmidt, Straßenverkehrssachen, 2008, 4. Kap. Rn. 259 bzw. Krumm, DAR 2007, 129.
Danke an den Blogleser Matthias Böse für den Tipp, die Entscheidung zum Blogthema zu machen!
Wie immer der Hinweis: Für derartige Tipps bin ich auch in Zukunft dankbar.