ArbG Berlin: Tarifgemeinschaft christlicher Gewerkschaften für Leiharbeit (CGZP) nicht tariffähig
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Mit Beschluss vom 1.4.2009 hat das ArbG Berlin festgestellt, dass die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) nicht tariffähig im Sinne des Tarifvertragsgesetzes ist (35 BV 17008/08).
Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt, es fehle der CGZP an der erforderlichen „Sozialmächtigkeit". Das BAG setze für die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie voraus, dass die jeweiligen sozialen Gegenspieler über eine Durchsetzungskraft gegenüber der tariflichen Gegenseite verfügen. Das Arbeitsgericht vermochte eine solche Durchsetzungsfähigkeit der CGZP nicht festzustellen. Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zum Landesarbeitsgericht möglich.
Der Beschluss könnte, wenn er letztinstanzlich bestätigt werden sollte, weitreichende Folgen haben: "Tarifverträge", die eine nicht tariffähige Partei abgeschlossen hat, sind keine Tarifverträge im Rechtssinne. Sie partizipieren dementsprechend nicht an den Privilegierungen, die das Gesetz tariflichen Regelungen einräumt. Für die Leiharbeit bedeutet dies: § 9 Abs. 2 AÜG statuiert das sog. "equal-pay"-Gebot, also die Verpflichtung des Zeitarbeitunternehmens, dem Leiharbeitnehmer für die Dauer seiner Überlassung an den Entleiher dieselben Arbeitsbedingungen, insbesondere dasselbe Arbeitsentgelt zu gewähren, wie es für vergleichbare Stammarbeitnehmer im Betrieb des Entleihers üblich ist. Hiervon kann durch Tarifvertrag (und durch einzelvertragliche Bezugnahme auf ihn) abgewichen werden. Die von der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge machen hiervon Gebrauch und sehen eine - teilweise wesentlich - geringere Vergütung für Leiharbeitnehmer als für die Stammbelegschaft im Betrieb des Entleihers vor. Sind diese Tarifverträge mangels Tariffähigkeit einer Vertragspartei unwirksam, gilt - rückwirkend - wieder das "equal-pay"-Gebot. Auf die Zeitarbeitsunternehmen könnten erhebliche Nachzahlungsansprüche der Arbeitnehmer und der Sozialversicherungsträger zurollen, die einige von ihnen sogar in ihrer Existenz gefährden könnten.
Allerdings: Die CGZP ist selbst gar keine Gewerkschaft, sondern ein Spitzenverband i.S. von § 2 Abs. 3 TVG. Ob ein solcher Spitzenverband selbst sozial mächtig sein muss oder ob seine Tariflegitimation auf der Tariffähigkeit der ihn tragenden Einzelgewerkschaften beruht, ist umstritten (siehe z.B. ErfK/Franzen, 9. Aufl. 2009, § 2 TVG Rn. 29). Mitglied des CGZP sind vier Christliche Gewerkschaften, nämlich die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM), die Gewerkschaft öffentlicher Dienst und Dienstleistungen (GÖD), die Christliche Gewerkschaft Postservice und Telekommunikation (CGPT) und der Deutsche Handels- und Industrieangestelltenverband (DHV). Jedenfalls für die CGM steht durch den Beschluss des BAG vom 28.3.2006 (1 ABR 58/04, NZA 2006, 1112) rechtskräftig fest, dass sie tariffähig ist - und zwar nicht nur für die Metallindustrie, sondern uneingeschränkt (also auch für die Leiharbeitsbranche), weil es nach Überzeugung des BAG keine "geteilte Tariffähigkeit" gibt.