Gesetzentwurf zu Internetsperren im Kabinett beschlossen
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Heute ist im Bundeskabinett ein Gesetzentwurf zu Internetsperren beschlossen worden. Zu den Planungen wurde hier im Blog schon ausgiebig diskutiert. Die Kritik, das BKA werde, wie von Bundesministerin von der Leyen ursprünglich geplant, ohne Rechtsgrundlage Zensur ausüben, wird nach Inkraftreten eines solchen Gesetzes wohl nicht mehr erhoben werden können.
Probematisch ist dennoch, dass mit diesem geplanten Gesetz dem BKA, also nicht näher bestimmten Polizeibeamten ohne juristische oder Gremienkontrolle ermöglicht werden soll, die Seiten auszuwählen, die dann von den Providern durch Umleitung auf ein Stopp-Schild gesperrt werden sollen. Irgendeine Bestimmung darüber, wer mit welcher Ausbildung und nach welchen Kriterien beim BKA bestimmen soll, welche Seiten auf die Sperrliste gehören, ist im Entwurf nicht enthalten. Dies ist deshalb besonders problematisch, weil nicht nur kinderpornographische Seiten gesperrt werden sollen, sondern auch solche Seiten, die auf kinderpornographische Seiten verlinken. Auch darüber soll das BKA arbeitstäglich eine Entscheidung treffen. So fragt sich, ob etwa wikileaks betroffen wäre, wenn dieser Anbieter etwa aus politischen Gründen auf eine Sperrliste verlinkt, um zu zeigen, dass diese tatsächlich nur wenige Webseiten mit Kinderpornographie enthält. Es wäre schon äußerst bedenklich, wenn so dem BKA ermöglicht würde, Kritik an seiner Tätigkeit zu unterbinden.
Ein effektiver Rechtsschutz gegen die Maßnahmen des BKA ist unter diesen Voraussetzungen nicht möglich. Es ist nur vorgesehen, dass der Staat für evtl. Fehler des BKA haftet und nicht die Provider. Obwohl ich kein Verfassungsrechtler bin, bezweifle ich, dass dies dem GG entspricht - Art. 5 GG und Art. 19 Abs.4 GG.
Den Zugangsweg zu erschweren, ist außerdem bei Weitem zu wenig, um gegen Kinderpornographie im Internet vorzugehen. Stellen Polizeibeamte bei ihrer Recherche ein kinderpornographisches Angebot fest, so sind sie umgehend zu Ermittlungen verpflichtet und haben nicht nur umzuleiten, sondern den entsprechenden Verantwortlichen unmittelbar zu verfolgen und natürlich auf ein Abschalten der Seiten hinzuwirken. Vieles deutet darauf hin, dass hier nur aus plakativen Gründen ein problematisches und weitgehend ungeeignetes Gesetz gemacht werden soll.
Zudem liegt nach ausländischen Erfahrungen die Annahme nicht ganz fern, dass künftig auch andere unerwünschte Web-Inhalte ohne gerichtliche Kontrolle polizeilicherseits gesperrt werden sollen (z.B. Urheberrechtsverstöße, rechtsradikale und linksradikale Propaganda, Glücksspielseiten).