Strafanzeige gegen die Familienministerin wegen Verbreitens von Kinderpornographie – was ist an der Sache dran?
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Heute kursiert unter Bloggern und in Foren (z.B. hier) die Mitteilung (und teils auch schadenfrohe Begeisterung), gegen die Familienministerin werde aufgrund einer Strafanzeige wegen Verbreitens von Kinderpornographie (§ 184 b StGB) ermittelt. Die Strafanzeige beruht auf einem Sachverhalt, der vor einiger Zeit auf Spiegel-Online geschildert wurde, hier im Wortlaut:
„Irgendwann im Laufe der Pressekonferenz im Familienministerium werden die Fernsehteams gebeten, ihre Kameras abzuschalten. Man werde nun, erklärt Pressesprecherin Iris Bethge, Material zeigen, das man nicht weiterverbreiten dürfe. Dann ruft Bjørn-Erik Ludvigsen von der norwegischen Kriminalpolizei einen Internet-Browser auf und zeigt ein paar Webseiten - live. Die erste ist beunruhigend: Nackte Kinder posieren da für die Kamera, in Hochglanzoptik. Hier handele sich um eine kommerzielle "Softcore-Lolita-Seite" erklärt der Fachmann für Missbrauchsdelikte, die minderjährigen Models ließen sich freiwillig fotografieren und würden dafür in der Regel auch bezahlt. Dann öffnet der Polizist weitere Seiten - und die ersten Journalisten im Saal wenden gequält den Blick ab. Obwohl die Vorschaubildchen auf den Banner-Seiten und Startbildschirmen klein sind und der Beamer nicht allzu stark, ist deutlich zu erkennen, dass hier Kinder beim Sex mit Erwachsenen zu sehen sind. Hier handele sich oft um ursprünglich nicht zu kommerziellen Zwecken gemachte Aufnahmen, sagt Ludvigsen. Sondern um Bilder vom Missbrauch etwa im familiären Umfeld, die später auf Bezahlseiten landeten."
Unterstellt, diese Darstellung trifft zu und Frau von der Leyen war für diese Pressekonferenz verantwortlich, hat sie sich nun nach § 184 b StGB strafbar gemacht? Ich riskiere mal ohne viel Nachdenken einen Schnellschuss (ganz im Sinne von Felix Salmon, der dies den deutschen Bloggern ja wärmstens empfiehlt):
Folgte man der Rechtsansicht von Ministerin Zypries müsste man die Tatbestandsmäßigkeit wohl bejahen. Denn nach Frau Zypries macht sich schon der strafbar, wer solche Seiten im Netz gezielt aufruft und anschaut. Die Auffassung von Frau Zypries entspricht freilich nicht dem Gesetz, wie ich bereits an anderer Stelle hier im Blog ausgeführt habe: Für eine Strafbarkeit nach § 184b Abs. 4 muss vorsätzlich der Besitz verschafft werden, das bloße Anschauen ohne bewusstes Speichern auf der Festplatte ist nicht strafbar, und das gilt auch für Frau von der Leyen und den norwegischen Kriminalpolizisten.
Dies soll allerdings laut einem EU-Rahmenbeschluss demnächst geändert werden, siehe hier.
Also: Sowohl Absatz 2 als auch 4 scheiden aus, denn niemand hat sich oder Dritten Besitz verschafft oder wollte dies tun.
Kommen wir zu Absatz 1:
Nr.1 „Verbreiten" bedeutet, dass die Bilder mit dem Ziel weitergegeben werden, dass sie dadurch einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht werden. Dies liegt hier nicht vor: Der Personenkreis war auf die in der Pressekonferenz Anwesenden begrenzt, sie erhielten auch nicht derart Zugriff auf das Material, dass sie es an andere hätten weitergeben können.
Nr.2 „öffentlich ausstellt, vorführt, oder sonst zugänglich machen".
Hier wurde wohl „vorgeführt", zumindest „sonst zugänglich gemacht". Aber geschah dies „öffentlich" im Sinne des Gesetzes?
Öffentlich bedeutet, dass eine unbestimmte Anzahl von Personen die Möglichkeit der Wahrnehmung hat. War diese Pressekonferenz „öffentlich"? Dies ist eine Tatsachenfrage und ist von der Staatsanwaltschaft aufzuklären. Meine Einschätzung ist, dass dies nicht der Fall war, sondern dass die Pressekonferenz aus einem „geschlossenen" Personenkreis bestand. Und ist dies so, wie ich annehme, dann hat Ursula von der Leyen schon den Tatbestand des § 184 b StGB mit ihrer "bemerkenswerten" Pressekonferenz nicht erfüllt, von evtl. Rechtfertigungsgründen ganz zu schweigen. Die Staatsanwaltschaft wird das Verfahren einstellen.
Update: Laut diesem lesenwerten Artikel in der Berliner Morgenpost ist das Verfahren bereits eingestellt.
Update (August 2009): Weiter geht es hier