Forensische Hypnose als erinnerungsunterstützendes Verfahren bei Aussagen von Zeugen und Opfern - Ist das rechtlich überhaupt zulässig?
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Bislang war mir nicht bekannt, dass im sog. Karlsruher Autobahnraser-Fall (der Täter hatte mit seinem Fahrzeug durch plötzliches, dichtes Auffahren einen anderen Pkw von der Fahrbahn gedrängt, die junge Mutter und ihr Kleinkind starben) ein Zeuge sich unter Hypnose an signifikante Bestandteile des Nummernschilds erinnern konnte, welche in den folgenden Ermittlungen zu dem später verurteilten Testwagenfahrer führten. In ihrem Aufsatz „Forensische Hypnose als erinnerungsunterstützendes Verfahren bei Aussagen von Zeugen und Opfern" in: Kriminalistik 2008 (nicht 2009, koorigiert am 21.5.2010) Heft 6 S.355 ff schildern die Erlanger Diplom-Psychologin Dr. Andrea M. Beetz und Kriminalhauptkommissar Klaus Wiest, Polizeipräsidium München, auch noch den Fall einer 67-jährigen Frau, die beim Wandern am Brauneck/ Oberbayern vergewaltigt und in hilfloser Lage zurückgelassen wurde, sich zu einer Befragung unter Hypnose bereit erklärte und dabei sich an weitere wichtige Details im Zusammenhang mit dem Zusammentreffen des Täters bereits während der Zugfahrt nach Oberbayern erinnerte.
Nach § 69a Abs. 3 StPO gilt § 136a StPO für die Vernehmung von Zeugen entsprechend und nach § 136a Abs. 1 Satz 1 StPO ist es ausdrücklich untersagt, die Freiheit der Willensentschließung durch Hypnose zu beeinträchtigen - und das jedenfalls grundsätzlich unabhängig, ob mit oder ohne Einverständnis des Betroffenen. Vielfach bekräftigt die Kommentarliteratur die klare gesetzliche Position (z.B BeckOK-StPO/Monka § 136a Rn. 22; KK-StPO /Diemer § 136a Rn. 28). Einige Kommentare differenzieren allerdings: Die Wiederherstellung des freien Willens durch Beseitigung posthypnotischer Hemmungen sei zulässig, weil es nicht um die Beeinträchtigung der Willensfreiheit, sondern ihre Wiederherstellung gehe.
Die forensische Hypnose als erinnerungsunterstützendes Verfahren bei Zeugen eröffnet Ermittlungschancen, birgt aber auch Gefahren: Hypnotisierte können anfälliger für Suggestionen des Fragenden sein, sie können sich selbst unter Druck setzen, die ermittlungstaktische erhoffte Aussage beizusteuern - und sie können sogar lügen.
Soweit es bislang zum Einsatz forensischer Hypnose als erinnerungsunterstützendes Verfahren gekommen ist, wurde die Spur, die sich aus der Aussage ergibt, selbstständig weiterverfolgt. Führten diese Ermittlungen zu einem verwertbaren Ergebnis wurde dieses neue, lediglich aufgrund der Hypnose gewonnene Beweismittel in die Beweisführung eingebracht. Rechtlich mag eine eindeutige Absage an die Hypnose geboten sein, aber zuvor sollten die Details und praktischen Implikationen eines solchen absoluten Verbots diskutiert werden; denn schon über den Begriff der Hypnose ist man sich uneins. Übereinstimmend weist die fachwissenschaftliche Diskussion es zurück, dass man unter Hypnose die Kontrolle über sich aufgebe. Zunehmend rasch wird jedenfalls die psychologische Forschung zur forensischen wie klinischen Hypnose fortschreiten.