VG München: "MTV - I want a Famous Face" ist entwicklungsbeeinträchigend für Jugendliche
Gespeichert von Prof. Dr. Marc Liesching am
Das VG München hat durch Urteil vom 17.06.2009 (Az. M 17 K 05.599) in einer ausführlichen Begründung zur Jugendschutzrelevanz der Ausstrahlung einer Episode der Reihe "I want a famous Face" Stellung genommen. Dabei wurden auch verfahrensrechtliche Fragestellungen abgehandelt, welche für den Jugendmedienschutz erhebliche praktische Auswirkungen zeitigen und welche im Einzelnen durchaus auch kritisch hinterfragt werden können.
Die wesentlichen Inhalte der über 60 Seiten umfassenden Urteilsbegründung können wie folgt zusammengefasst werden:
1. Mitglieder der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), welche an der Beurteilung der Sendereihe „i want a famous face“ beteiligt waren, können nicht schon deshalb als „befangen“ im verwaltungsrechtlichen Sinne angesehen werden, weil sie zuvor an einem Beschluss mitgewirkt hatten, nachdem alle Sendungen mit Schönheitsoperationen zu Unterhaltungszwecken grundsätzlich entwicklungsbeeinträchtigend und erst nach 23.00 Uhr auszustrahlen seien.
2. Auf die Rechtmäßigkeit von Beschlussfassungen von Mitgliedern der KJM im so genannten „Umlaufverfahren“ kommt es nicht an, wenn die jeweiligen Entscheidungen in einer ordentlichen KJM-Sitzung bestätigt werden.
3. Bei jugendschutzrechtlichen Anordnungen der Medienaufsicht bezüglich der entscheidungsgegenständlichen Sendereihe bedurfte es keiner Hinzuziehung bzw. Beteiligung der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen e.V. (FSF), da deren rechtliche Interessen durch das Verfahren nicht berührt werden.
4. Die Haftungsprivilegierung des § 20 Abs. 3 S. 1 JMStV und die Einschränkung der aufsichtsrechtlichen Befugnisse der KJM greift nur, wenn die jeweilige Sendung in seiner konkreten Ausgestaltung der anerkannten Selbstkontrolleinrichtung (hier FSF) vorgelegen hat. Wird ein z.B. aufgrund Synchronisierung oder deutscher Untertitel-Zusätze nachträglich veränderter Sendeinhalt ausgestrahlt, ist für § 20 Abs. 3 S. 1 JMStV kein Raum mehr.
5. Der für die Medienaufsicht zuständigen Landesmedienanstalten und der KJM kommt bei der Entscheidung über das Vorliegen einer Entwicklungsbeeinträchtigung nach § 5 JMStV kein Beurteilungsspielraum zu, der der gerichtlichen Überprüfung entzogen wäre.
6. Die Folge 3 des Sendeformats „i want a famous face“ ist nach Überzeugung des Gerichts geeignet, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren zu beeinträchtigen, nicht dagegen von älteren Jugendlichen.
7. Bewertungsmaßstab für die Beurteilung der Entwicklungsbeeinträchtigung sind – von Extremfällen abgesehen – nicht nur durchschnittliche Kinder und Jugendliche, sondern auch „gefährdungsgeneigte“ Minderjährige, die einer Beeinflussung stärker ausgesetzt sind.