BVerfG: Es besteht ein Anspruch auf effektive Untersuchung von verdächtigen Todesfällen
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Sachverhalt
Im März 2003 wurde der Sohn der Beschwerdeführerin auf einer Bundesstraße überfahren. Kurz vor seinem Tod hatte er an Veranstaltungen einer Organisation teilgenommen, die als «Polit-Sekte» mit rechtsextremistischem Hintergrund eingestuft wurde. Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren mangels tatsächlicher Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden im Juni 2003 ein. Im Februar 2005 beantragte die Beschwerdeführerin ohne Erfolg die Wiederaufnahme des Verfahrens. Ihre Beschwerde und ihr Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zum Oberlandesgericht Frankfurt blieben ebenfalls erfolglos. Anschließend legte die Beschwerdeführerin gegen die Beschlüsse des OLG Frankfurt Verfassungsbeschwerde ein und rügte unter anderem eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 GG.
BVerfG: Anspruch auf effektive Untersuchung von Todesfällen nicht verletzt
Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da sie jedenfalls unbegründet sei. Der Beschluss des OLG verkenne nicht die Bedeutung der grundrechtlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG, aus der sich ausnahmsweise ein Anspruch gegen den Staat auf eine effektive Untersuchung von verdächtigen Todesfällen ergibt. Die Entscheidung genüge darüber hinaus auch den Anforderungen an eine effektive Untersuchung von verdächtigen Todesfällen, die von der als Auslegungshilfe heranzuziehenden Rechtsprechung des EGMR aus Art. 2 EMRK in Verbindung mit Art. 1 EMRK entwickelt wurden.
Wie das BVerfG ausführt, nehme das OLG zu der Kritik der Beschwerdeführerin an den staatsanwaltschaftlichen Bescheiden ausführlich Stellung. Es erkläre, weshalb es die von den Ermittlungsbehörden angenommene Selbstmord-Hypothese für zutreffend halte und warum die dagegen sprechenden, von der Beschwerdeführerin angeführten Indizien diese Hypothese nicht erschüttern könnten. Danach hält das BVerfG die Feststellung des OLG für vertretbar, dass keine konkreten Ermittlungsmaßnahmen erkennbar seien, die zu einem anderen Ergebnis als dem von den Ermittlungsbehörden angenommenen Selbstmord führen würden.