Der Fall Kachelmann - Pressefreiheit contra Persönlichkeitsrecht
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Welche mediale Spekulationsmaschine seit seiner Verhaftung der fernsehbekannte Wetterkundler Jörg Kachelmann auslöste, weil er seine Lebensgefährtin vergewaltigt haben soll, ist außergewöhnlich und deshalb zur Diskussion festzuhalten.
In unterschiedlichen Analysen und pseudopsychologischen Interpretationen überbietet sich in schon abenteuerlicher Weise die Boulevardberichterstattung. Beispiele: Welche Bedeutung hat mit Blick auf den Tatvorwurf der abrasierte Bart? Kann man sich in einem Menschen so täuschen? (näher zu alledem Harald Staun in der heutigen Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung S. 21). Wie immer das Strafverfahren auch ausgehen mag, eines hat die bisherige Berichterstattung mit ihren medial wirksamen Schlagzeilen erreicht: Auch im Falle eines Freispruchs ist Herr Kachelmann öffentlich erledigt! Es wäre deshalb dringend geboten, die Diskussion über "Pressefreiheit contra Persönlichkeitsrecht" anhand dieses Falls zu führen, wie sie der Journalist Reinhard Müller in faz.net heute schon eröffnet hat.
In der Sache selbst stehen sich, soweit sich mir das aus den vorliegenden Berichten erschließt, die Angaben des Opfers und die Einlassung des Beschuldigten unvereinbar gegenüber. Maßgeblich wird es daher auch auf das rechtsmedizinische Gutachten ankommen. Das Opfer soll alsbald nach der Tat rechtsmedizinisch untersucht worden sein. Selbst geringste Blutspuren und kleinste Rückstände von Hautpartikeln können für die Aufklärung bedeutsam werden. Sperma sind in Kleidungsstücken zwar jahrelang, im Scheidenbereich oder Anus nur wenige Stunden nachweisbar. Ob der Geschlechtsverkehr freiwillig oder gewaltsam erfolgte, ist mit der rechtsmedizinische Untersuchung allein noch nicht geklärt. Deshalb ist bislang wohl noch nichts entschieden, wenngleich der Beschuldigte durch die Berichterstattung vielfach schon "abgeurteilt" ist, auch wenn dies unter einer Überschrift mit Fragezeichen geschieht.