Brunner-Prozess: Ein Plädoyer für die Hauptverhandlung
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Seit wenigen Tagen findet die Hauptverhandlung statt in einem Prozess, der schon entschieden schien. Dominik Brunner, zivilcouragierter Helfer von Jugendlichen, die in der S-Bahn bedroht wurden, dann selbst tödlich verletztes Opfer zweier halbwüchsiger Rowdies. Eine Anklage sogar wegen Mordes schien angebracht und auch das entsprechende Urteil war absehbar. In den Internet-Meinungsforen der überregionalen Presse war die Auffassung verbreitet, eine Verteidigung sei in diesem Fall überflüssig bis unverschämt, auch fand sich die Meinung, man solle in solchen Fällen auf eine Hauptverhandlung verzichten und gleich zur Höchststraf-Verurteilung übergehen. Die Berichterstattung über den Fall legte solche von Empörung getragenen Schlussfolgerungen des Publikums nahe.
Liest man aber nun die Berichte über die Hauptverhandlung - etwa auf Spiegel-Online, in der FAZ oder SZ, zeigt sich, dass die Hauptverhandlung gerade in solchen Fällen unverzichtbar ist. Die Zeugen widersprechen einander bzw. der Anklage, selbst wenn sie zu den von Brunner beschützten Jugendlichen gehören (welt-Online). Sie erinnern sich zum Teil nur noch ungenau oder gar nicht richtig. Einige geraten auch in Widerspruch zu ihrer von der Polizei aufgezeichneten Aussage im Ermittlungsverfahren. Es kann - obwohl doch alles so klar schien - auch anders gewesen sein, die Mordanklage ist möglicherweise nicht mehr zu halten.
Zwei Dinge möchte ich dazu anmerken:
Erstens kann, egal wie es am Ende ausgeht, dieser Fall belegen, wie wichtig eine Hauptverhandlung ist, eine möglichst unvoreingenommene Beweisaufnahme in foro. Wenn sich die Richter in diesem Fall wirklich der vorweggenommenen Verurteilung entziehen können und versuchen, sich selbst ein Bild zu machen, dann wäre dies zugleich ein wichtiges Plädoyer für die Hauptverhandlung.
Zweitens belegt zumindest die gestrig bekannt gewordene Abweichung zwischen polizeilichem Vernehmungsprotokoll und Aussage in der HV erneut, wie wichtig es ist bzw. wäre, eine polizeiliche Vernehmung aufzuzeichnen. Und zwar auch in vermeintlich "eindeutigen" Fällen.
Zum verschiedentlich (zum Teil mit Befremden) berichteten "fürsorglichen" Verhalten des vors. Richters gegenüber den Angeklagten, schreibt Benno Hurt gestern in der SZ - lesenwert.