Love Parade-Unglück in Duisburg: Pressekonferenz (fast) ohne Antworten
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
In der Pressekonferenz zur erschütternden Love Parade-Katastrophe (link wdr) haben sich vier auf dem Podium sitzende Verantwortliche (der Bürgermeister, der Vize-Polizeichef, der Veranstalter und der Krisenstabschef) - hinzu kam noch der Pressesprecher der Loveparade aus der zweiten Reihe - zumeist der Beantwortung berechtigter Fragen entzogen, indem sie auf das laufende Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft hinwiesen. Es klang beinahe so, als habe ihnen die Staatsanwaltschaft verboten, sich zum Thema zu äußern. Aber worauf sollte ein solches "Äußerungsverbot" basieren? In einer Zeit, in der die Staatsanwaltschaften selbst (meines Erachtens viel zu weitgehend) regelmäßig Pressekonferenzen und -mitteilungen zu laufenden Verfahren durchführen, wäre dies höchst befremdlich.
Der eigentliche Grund ist wohl eher, dass gegen die Podiumsteilnehmer der Pressekonferenz selbst möglicherweise ermittelt wird oder sie dies zumindest befürchten (link). Beschuldigte haben durchaus das Recht zu schweigen und sie unterliegen auch keiner Wahrheitspflicht.
Prof. Schreckenberg, der das Sicherheitskonzept für die Loveparade vorab befürwortet hatte, saß nicht auf dem Podium. Er hatte aber schon am gestrigen Abend in einer wdr-extra-Sendung nicht Fehlplanung, sondern einzelne Besucher für die Todesfälle verantwortlich gemacht (link). Prof. Schreckenberg meint heute in einem weiteren Interview, möglicherweise habe man das (sein?) Konzept auch nicht richtig umgesetzt. Das Gelände sei für 350.000 Menschen ausgelegt gewesen, der Tunnel für 20.000 Menschen pro Stunde (link). Er deutet damit an, man habe seitens der Einsatzleitung vor Ort zu viele Menschen gleichzeitig in den Tunnel gelassen.
Auch ihm steht es natürlich frei, das Konzept zu verteidigen. Aber wenn diese Angaben stimmen, dann hätte es 15 Stunden (!) gedauert, bis 300.000 Menschen auf dem Gelände gewesen wären, eine doch völlig unrealistische Vorstellung für eine solche Veranstaltung. Selbst die doppelte Menge von Zufluss hätte nahezu acht Stunden erfordert - und dabei sind nicht einmal die Besucher erwähnt, die inzwischen das Gelände wieder verlassen wollten. Im Übrigen erklärt dies, warum nach Angaben der Polizei das Gelände zu keinem Zeitpunkt überfüllt war. Wenn diese Angaben stimmen, dann kalkulierte dieses Konzept von vornherein ein mehrstündiges Warten im Gedränge vor oder im Tunnel ein - selbst wenn es "nur" 300.000 Menschen gewesen wären. Eine unzumutbare Situation, deren Folgen nun leider eingetreten sind.
Diese Folgen wurden schon vor einigen Tagen ziemlich genau vorausgesehen (link der westen) - und auch die mögliche Ursache, der zu enge einzige Zugang zum Gelände, wurde dort schon benannt.
Ob und wer strafrechtlich verantwortlich gemacht werden kann, ist Gegenstand der Ermittlungen, die sicherlich einige Zeit erfordern.
Aber unvorhersehbar war diese Katastrophe nicht.