VGH Mannheim: Fahrerlaubnisbehörde darf Untersuchungsergebnis einer strafprozessual rechtswidrig entnommenen Blutprobe verwerten
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Bemerkenswert: Nach dem Beschluss des VGH Mannheim vom 21.06.2010 - Az.: 10 S 4/10, unanfechtbar (= BeckRS 2010, 50783; Pressemitteilung) - darf eine Fahrerlaubnisbehörde bei der Entziehung der Fahrerlaubnis das Ergebnis der gerichtsmedizinischen Untersuchung einer Blutprobe berücksichtigen, auch wenn diese unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt nach § 81a Abs. 2 StPO entnommen wurde.
Sachverhalt
Bei einer Verkehrskontrolle wurde der Kläger - nachdem er kurz davor selbst einen Pkw gesteuert hatte - als Beifahrer von der Polizei überprüft. Da ein Urin-Drogenschnelltest positiv verlief, ordnete der kontrollierende Polizeibeamte - ohne einen Richter einzuschalten - die Entnahme einer Blutprobe an. Deren gerichtsmedizinische Untersuchung ergab, dass der Kläger Amphetamin und Cannabis konsumiert hatte. Im anschließenden Bußgeldverfahren wegen Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung sprach das Amtsgericht den Kläger frei, weil ihm nicht nachgewiesen werden konnte, dass er die Drogen bereits bei seiner eigenen Autofahrt eingenommen hatte und nicht erst danach. Die Fahrerlaubnisbehörde entzog dem Kläger jedoch die Fahrerlaubnis, weil er infolge des Konsums von Cannabis und Amphetamin ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei.
Beifahrereigenschaft bei Verkehrskontrolle unerheblich
Nach Auffassung des VGH Mannheim führt im Regelfall bereits der einmalige Konsum eines Betäubungsmittels, ausgenommen Cannabis, zur Úngeeignetheit zum Führen eines Kfz. unerheblich sei daher, dass der Kläger bei der Verkehrskontrolle nur Beifahrer gewesen sei. Der Kläger könne der Entziehung seiner Fahrerlaubnis auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Polizei die Blutprobe ohne richterliche Anordnung entnommen habe. Es könne offen bleiben, ob eine richterliche Anordnung nicht ausnahmsweise entbehrlich gewesen sei. Selbst wenn sie geboten gewesen sei, folge aus einem Verstoß gegen den strafprozessualen Richtervorbehalt kein Verbot für die Fahrerlaubnisbehörde, das Ergebnis der Blutuntersuchung bei der Entziehung der Fahrerlaubnis zu verwerten.
Etwaiges Verwertungsverbot gilt nicht für Fahrerlaubnisbehörde
Auch das Amtsgericht sei beim Freispruch im Bußgeldverfahren nicht von einem Verwertungsverbot ausgegangen. Aber selbst ein solches Verwertungsverbot unterstellt, gelte es jedenfalls nicht für Entziehungsverfahren der Fahrerlaubnisbehörde. Diese habe nicht Rechtsverstöße zu verfolgen und zu ahnden, sondern müsse Dritte vor Gefahren schützen, die von einem ungeeigneten Kraftfahrer ausgingen. Dabei gehe es um hochrangige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit. Der Verstoß gegen den Richtervorbehalt sei von der Fahrerlaubnisbehörde nicht selbst zu verantworten. Weder das Straßenverkehrsgesetz noch die Fahrerlaubnisverordnung würden für die Anordnung ärztlicher Untersuchungen und Begutachtungen einen vergleichbaren Richtervorbehalt vorsehen.