Richtervorbehalt bei Blutprobe: Keine Dokumentationspflicht, kein Eildiensterfordernis, kein Anrufversuch während der Nacht erforderlich, keine Vorlage an den BGH
Gespeichert von Carsten Krumm am
Das OLG Zweibrücken hat sich einmal mehr mit dem Dauerbrenner "Richtervorbehalt bei Blutprobenentnahme" befassen müssen. Es hat sich offen in Widerspruch zum OLG Hamm gesetzt, eine Vorlage an den BGH aber nicht für erforderlich gehalten. Aus OLG Zweibrücken: Beschluss vom 23.09.2010 - 1 SsBs 6/10 = BeckRS 2010, 24167:
"....Im Landgerichtsbezirk Frankenthal (Pfalz) ist der richterliche Bereitschaftsdienst derart geregelt, dass ein Richter, sei es der Ermittlungsrichter oder der Bereitschaftsrichter, zwischen 6:00 Uhr morgens und 21:00 Uhr abends er-reichbar sein muss. Es liefe daher auf eine bloße Förmelei hinaus, würde man von den Ermittlungsbehörden in jedem konkreten Einzelfall die Überprüfung verlangen, ob ein Richter - entgegen den grundsätzlichen zeitlichen Vorgaben - ausnahmsweise doch in der Zeit zwischen 21:00 und 6:00 Uhr erreichbar ist. Die Erreichbarkeit des richterlichen Bereitschaftsdienstes ist den Ermittlungsbehörden bekannt und wird – gerichtsbekannt – entsprechend genutzt....
...Die Gründe für die Annahme von Gefahr im Verzug mussten auch nicht gesondert dokumentiert werden. Zwar muss die drohende Gefährdung des Untersuchungserfolgs grundsätzlich mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen sein müssen und in den Ermittlungsakten niederzulegen sind. Dies gilt allerdings nicht bei evidenter Dringlichkeit (BVerfG Kammerbeschluss vom 12. Februar 2007,2 BvR 273/06; Kammerbeschluss vom 28. Juli 2008, 2 BvR 784/08). Ein schriftlicher Hinweis auf die im Falle eines Abwartens fünfstündige Abbauzeit in den Akten würde ebenfalls einer bloßen Förmelei gleichkommen....
...Die Gründe dafür, dass aus dem Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO nach Ansicht des Senats – unabhängig von der Anzahl der nächtlich auftretenden Fälle – keine Verpflichtung der Justizverwaltung erwächst, hierfür einen richterlichen Notdienst auch zur Nachtzeit einzurichten, liegen darin, dass der Eingriff nach § 81a StPO zum einen von relativ geringer Natur ist. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber durch die Regelung der - wenn auch nachrangigen - Anordnungskompetenz von Staatsanwaltschaft und Ermittlungsbehörden zu erkennen gegeben hat, dass er dem Richtervorbehalt nach § 81 a Abs. 2 StPO aus objektiver Sicht eine geringere Bedeutung beigemessen hat. Beides spiegelt sich in der (nur) einfachgesetzlichen Ausgestaltung des Vorbehalts wieder. Der Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO dürfte insoweit nicht zum rechtsstaatlichen Mindeststandard zählen (BVerfG Kammerbeschluss vom 28. Juli 2008, 2 BvR 784/08). Die fehlende Erreichbarkeit eines Richters bei Anordnung der Blutprobe berührte daher nicht den Rechtskreis des Betroffenen....
...Der Senat erachtet es nicht für geboten, die Sache gemäß § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 121 Abs. 2 GVG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen. Zwar hält der 3. Strafsenat des OLG Hamm in seiner Entscheidung vom 22. Dezember 2009 (3 Ss 497/09) an seiner im Urteil vom 18. August 2008 (3 Ss 293/08) dargelegten Rechtsauffassung fest, dass die Anzahl der Ermittlungsmaßnahmen nach § 81a StPO den (verfassungsrechtlichen) Bedarf nach einem richterlichenDienst zur Nachtzeit begründen kann. Erforderlich für eine Vorlage ist allerdings nicht nur eine in der Begründung, sondern eine auch im Ergebnis abweichende Entscheidung (BGH, Beschluss vom 14. Dezember 1999, 5 AR (VS) 2/99, NStZ 2000, 222). In dem Beschluss vom 22. Dezember 2009 nimmt der 3. Strafsenat des OLG Hamm in einem ähnlich gelagerten Fall, wie dem vorliegendem, zwar einen Verstoß gegen den Richtervorbehalt an, kommt aber ebenfalls zu dem Ergebnis, darin kein Beweisverwertungsverbot zu sehen..."
Zu allem was hiermit zusammenhängt: Hentschel/Krumm, Fahrerlaubnis und Akohol, 5. Aufl. 2010.