Blutprobenverwertung: Einwilligung erfordert Verstandesreife
Gespeichert von Carsten Krumm am
Mittlerweile ist die Frage der Verletzung des Richtervorbehalts im Rahmen einer Anordnung einer Blutprobenentnahme alles andere als ein Aufreger. Das OLG Hamm: Beschluss vom 02.11.2010 - III-3 RVs 93/10, 3 RVs 93/10 = BeckRS 2010, 29288 hat sich nun mit der Frage beschäftigt, wie es denn mit der Einwilligung, die die richterliche Anordnung entbehrlich macht stehen muss:
"...Willigt der Beschuldigte dagegen in die Blutentnahme ein, so bedarf es keiner Anordnung nach § 81 a Abs. 2 StPO (Senat, NZV 2009, 90, 91; OLG Hamburg, NJW 2008, 2597, 2598; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 81 a Rdnr. 3 m. w. N.).
Der Beschuldigte muss die Sachlage und sein Weigerungsrecht kennen und muss die Einwilligung ausdrücklich und eindeutig und aus freiem Entschluss erklären (Meyer-Goßner, a. a. O., § 81 a Rdnr. 4 m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Angeklagte hat nach entsprechender Belehrung durch die Polizei eine eindeutige Einverständniserklärung ausdrücklich und aus freiem Entschluss abgegeben. Die Ansicht der Revision, dass die der Einverständniserklärung vorangegangene schriftliche Belehrung des Angeklagten missverständlich sei, kann der Senat nicht teilen. Aus der Belehrung ergibt sich eindeutig, dass die Anordnung der Blutentnahme überhaupt nur dann in Betracht kommt, wenn der Beschuldigte nicht von vornherein in die Durchführung der Blutprobe einwilligt.
Allerdings muss der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Abgabe der Einwilligung in die Blutentnahme genügend verstandesreif sein, um die Tragweite seiner Einwilligungserklärung zu erkennen (Senat, a. a. O., S. 91; OLG Hamm, 2 Ss 117/09 vom 28.04.2009, beckRS 2009, 21051; Heinrich, NZV 2010, 278, 279, je m. w. N.). Erforderlich ist, dass der Betroffene nach seiner Verstandesreife den Sinn und die Tragweite der Einwilligung erkennt (OLG Hamm, 2 Ss 117/09 vom 28.04.2009, beckRS 2009, 21051; LG Saarbrücken, Beschluss vom 13.11.2008 - 2 Qs 53/08, beckRS 2008, 23730). Zwar kann die Einwilligungsfähigkeit eines Beschuldigten aufgrund der Stärke des Alkoholeinflusses im Einzelfall zweifelhaft sein. Hierfür genügt aber nicht bereits jede alkoholische Beeinflussung (LG Saarbrücken, a. a. O., m. w. N.).
Der Angeklagte war hier mit 1,23 Promille Blutalkohol nur mittelmäßig alkoholisiert. Die Grenze, bei der deutliche Beeinträchtigungen in der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit angenommen werden, liegt bei etwa 2 Promille Blutalkohol. Von diesem Wert war der Angeklagte sehr weit entfernt. Er zeigte zwar Ausfallerscheinungen, insbesondere den vom Amtsgericht festgestellten schwankenden Gang, war aber durchaus in der Lage, mit seinem Pkw unfallfrei zumindest noch für einen kurzen Zeitraum am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen. Soweit die Revision auf den ärztlichen Befundbericht verweist, nach dem der Angeklagte nach außen hin deutlich unter Alkoholeinfluss gestanden haben soll, ist dieser Vortrag urteilsfremd. Insgesamt ergeben sich keine genügenden greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte trotz der im Hinblick auf eine Beeinträchtigung seiner kognitiven Fähigkeiten eher geringgradigen Alkoholisierung nicht in der Lage gewesen sein sollte, die Belehrung zu verstehen und die Tragweite seiner Einwilligung zu erkennen, zumal es sich um einen völlig einfach gelagerten Sachverhalt gehandelt hat...."