BAG: Muss ein Moslem Regale mit alkoholischen Getränken auffüllen?
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Ende Dezember hatte ich in diesem Blog bereits angekündigt, dass das BAG über die Arbeitsverweigerung eines Moslems aus Gewissensgründen wird entscheiden müssen. Der Mann ist als Ladenhilfe in einem Supermarkt angestellt und weigert sich, Regale mit alkoholischen Getränken aufzufüllen. Der Koran verbiete ihm jeden Umgang mit Alkohol. Die Kündigung der Arbeitgeberin war vom Arbeitsgericht und vom LAG bestätigt worden. Das BAG hat auf die Revision des Klägers das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen (BAG vom 24.02.2011 - 2 AZR 636/09):
Kündigung ist nur rechtmäßig, wenn für die Arbeitgeberin keine zumutbare Möglichkeit besteht, denn Mann so zu beschäftigen, dass er nicht in Gewissensnot gerät
Das LAG müsse aufklären, welche Tätigkeiten genau der Mann aus Gewissensgründen nicht ausüben könne und ob es dementsprechend eine Möglichkeit für die Arbeitgeberin gibt, ihn so einzusetzen, dass er diesen Konflikten nicht ausgesetzt ist. Die Pressemitteilung des BAG im Wortlaut:
Weigert sich ein Arbeitnehmer aus religiösen Gründen, eine Arbeitsaufgabe zu erfüllen, zu der er sich vertraglich verpflichtet hat, kann dies eine Kündigung durch den Arbeitgeber rechtfertigen. Voraussetzung ist, dass keine naheliegenden anderen Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen. Ein als "Ladenhilfe" in einem Einzelhandelsmarkt beschäftigter Arbeitnehmer muss mit der Zuweisung von Arbeitsaufgaben rechnen, die den Umgang mit Alkoholika erfordern. Macht er geltend, aus religiösen Gründen an der Ausübung vertraglich geschuldeter Tätigkeiten gehindert zu sein, muss er dem Arbeitgeber mitteilen, worin genau die religiösen Gründe bestehen, und aufzeigen, an welchen Tätigkeiten er sich gehindert sieht. Besteht für den Arbeitgeber im Rahmen der von ihm zu bestimmenden betrieblichen Organisation die Möglichkeit einer vertragsgemäßen Beschäftigung, die den religionsbedingten Einschränkungen Rechnung trägt, muss er dem Arbeitnehmer diese Tätigkeit zuweisen.
In Anwendung dieser Grundsätze hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben, die die - ordentliche - Kündigung eines Arbeitsverhältnisses für wirksam erachtet hat. Der Kläger ist gläubiger Moslem. Er war seit 1994 als Mitarbeiter eines großen Warenhauses tätig. Seit dem Jahr 2003 wurde er als "Ladenhilfe" beschäftigt. Im Februar 2008 weigerte er sich, im Getränkebereich zu arbeiten. Er berief sich auf seinen Glauben, der ihm jegliche Mitwirkung bei der Verbreitung von Alkoholika verbiete. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis.
Die Revision des Klägers führte zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Ob die Weigerung des Klägers, in der Getränkeabteilung zu arbeiten, der Beklagten einen Grund zur Kündigung gab, steht noch nicht fest und bedarf der weiteren Sachaufklärung. Den Darlegungen des Klägers lässt sich nicht hinreichend deutlich entnehmen, welche Tätigkeiten ihm seine religiöse Überzeugung verbietet. Dementsprechend kann auch nicht abschließend beurteilt werden, ob es der Beklagten möglich war, dem Kläger eine andere Arbeit zu übertragen.