Der Netzwerktechniker und sein Kind
Gespeichert von Hans-Otto Burschel am
Nach einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung zum Netzwerktechniker und der Ableistung des Zivildienstes begann der Kindesvater ein Studium der Informatik.
Sein im August 2004 geborenes Kind bezog Leistungen nach dem UVG.
Nunmehr macht das Jugendamt aus übergegangen Recht nach § 7 I UVG rückständigen Unterhalt von September 2007 bis Juli 2009.
Er berief sich auf Leistungsunfähigkeit - vergebens.
OLG München v. 28.09.2011 - 12 UF 129/11Der Antragsgegner hat sich nach Beendigung seiner Lehre und nach seinem Zivildienst nicht um eine Stelle in seinem erlernten Beruf bemüht, sondern hat ein Studium aufgenommen. Hierzu war er wegen der gesteigerten Erwerbsobliegenheit gegenüber seinem Kind jedoch nicht berechtigt. Er hätte sich vielmehr um eine Anstellung in seinem erlernten Beruf bemühen müssen. Soweit der Antragsgegner vorträgt, dass er im Raum M./F. keine Anstellung als Netzwerktechniker gefunden hätte, kann er damit nicht gehört werden. Da er ledig ist, hätte er seine Erwerbsbemühungen nicht auf den genannten Raum begrenzen dürfen. Er hätte seine Bewerbungen auf den Raum München, Hamburg oder Berlin ausdehnen müssen; denn nach der vom ihm vorgelegten Internet-Auskunft der Bundesagentur für Arbeit konzentrieren sich die Stellenangebote auf diese Orte und Kreise. Insoweit kann unterstellt werden, dass der Antragsgegner das von ihm genannte Einkommen von € 1.500,00 für einen Berufsanfänger erzielt hätte. Es kann dahin gestellt bleiben, ob es sich hierbei um das Brutto- oder Nettoeinkommen handelt. Handelt es sich um das Nettoeinkommen, ist er ohne weiteres für den geltend gemachten Unterhalt leistungsfähig, Handelt es sich um das Bruttoeinkommen, so hätte der Antragsgegner im Jahre 2007 ca. 1015,00 (bei Lohnsteuerklasse 1 und 0,5 Kinderfreibetrag) ausbezahlt bekommen. Zieht man noch 5% berufsbedingte Aufwendungen ab, hätte dem Antragsgegner ein Einkommen von € 964,25 zur Verfügung gestanden. Zwar hat er im Jahre 2007 einen monatlichen Unterhalt von € 125,00 geschuldet, so dass an sich ein Mangelfall vorliegen würde; den Fehlbetrag von € 60,75/Monat hätte der Antragsgegner jedoch jederzeit durch eine Nebentätigkeit ausgleichen können, so dass sein Selbstbehalt von € 900,00 gewahrt worden wäre.
...
Der Antragsgegner kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Lehre nur zur Vorbereitung auf sein Studium absolviert hat und er wegen der Lehre das Studium verkürzen konnte.
Denn das Interesse eines unterhaltspflichtigen Elternteils tritt, unter Zurückstellung bestehender Erwerbsmöglichkeiten eine Aus- oder Weiterbildung aufzunehmen, grundsätzlich hinter dem Unterhaltsinteresse seiner Kinder zurück (siehe dazu hier = BGH NJW 2011, 1874). Das gilt vor allem dann, wenn der Unterhaltspflichtige bereits über eine Berufsausbildung verfügt und ihm die Erwerbsmöglichkeit in dem erlernten Beruf unter Berücksichtigung eines zumutbaren Ortswechsels eine ausreichende Lebensgrundlage bietet (BGH a. a. O.).
Zwar kann nach der zitierten Entscheidung des BGH etwas anderes gelten, wenn der Unterhaltspflichtige seine Erwerbstätigkeit nicht zum Zwecke einer Zweitausbildung oder der Weiterbildung in dem erlernten Beruf, sondern zugunsten einer erstmaligen Berufsausbildung aufgegeben hat. Einer solchen Erstausbildung sei regelmäßig auch gegenüber der gesteigerten Unterhaltspflicht aus § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB der Vorrang einzuräumen, da die Erlangung einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf zum eigenen Lebensbedarf des Unterhaltspflichtigen gehöre, den dieser grundsätzlich vorrangig befriedigen dürfe.
Ob es sich bei der von dem Antragsgegner aufgenommenen Ausbildung um eine Erstausbildung handelt, kann dahinstehen. Zwar besteht nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. die Fundstellen in FA-FamR/Seiler, 8. Aufl., 6. Kapitel Rn. 248 FN. 942 ff) eine einheitliche Ausbildung auch bei einem Werdegang Schule-Lehre-Studium, soweit ein - hier zu bejahender - enger fachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, so dass ein Kind gegenüber seinen Eltern in diesem Fall einen Anspruch auf angemessenen Ausbildungsunterhalt hat. In diesem Fall aber haben die Eltern gegenüber dem Kind keine gesteigerte Erwerbsobliegenheit.