Satire oder Urkundenfälschung?
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Diese Frage wurde zuletzt am LG Regensburg gestellt, eine Frage, die nicht nur regionale Bedeutung hat, sondern sogar verfassungsrechtliche Bezüge (Meinungsfreiheit, Kunstfreiheit) aufweisen könnte.
Hier der Sachverhalt, siehe dazu auch die ausführliche Berichterstattung im Blog regensburg-digital:
Ein langjähriger Zeitungsausträger war der Auffassung, das Zeitungsaustragen werde zu gering bezahlt und die Arbeitsbedingungen seien insgesamt kritikwürdig. Nachdem übliche Beschwerdemöglichkeiten nicht gefruchtet hatten, bediente er sich des Mittels der „Kommunikationsguerilla“ (wikipedia Artikel ): Er druckte und vertrieb einige tausend Postkarten mit dem Emblem der Lokalzeitung, auf denen er im Stile eines Preisausschreibens die Frage stellte, ob die Zeitung lieber die Abopreise senken, der Zeitung weniger Prospekte beilegen oder den Zeitungsträgern einen gerechteren Lohn zahlen solle. Unter den Antworten würden Preise verlost, u.a. Fahrten im Heißluftballon. Die Postkarte sollte frankiert und an die Zeitung eingesandt werden. 35 Postkarten (von 5000) trudelten bei der Zeitung ein, deren Verlag sich per Strafanzeige wehrte: Die Staatsanwaltschaft klagte wegen Urkundenfälschung an und erreichte vor dem AG Regensburg auch eine Verurteilung zu 50 Tagessätzen. In der Berufung sah das LG Regensburg vergangene Woche die Sache nicht als so gravierend an und es wurde eine Verfahrenseinstellung gegen Zahlung von 300 Euro ausgehandelt.
Schade eigentlich, dass sich nun kein Urteil zur Besprechung findet, denn interessant ist es schon, ob dieser und ähnliche Fälle tatsächlich als Urkundenfälschung strafbar sind.
So wurden vor zwei Jahren Flugblätter eines „Bundesamts für Heimatschutz“ verbreitet, die anlässlich der Erhöhung einer angeblichen Terroralarm-Stufe Bürger einer Kleinstadt aufforderten, zuhause zu bleiben – es erfolgte eine Verurteilung wegen Urkundenfälschung (Quelle: Rhein-Zeitung)
Ein gängiger Einwand ist, es handele sich nur um „Satire“ oder „Kunst“, nicht um Urkundenfälschung. Aber schließen sich die Begriffe wirklich aus? Dies lässt sich an den objektiven Merkmalen des § 267 StGB jedenfalls nicht festmachen - auch eine Satire kann die Form einer Urkundenfälschung haben. Je überzeugender die Nachahmung ist (und wer wollte den Effekt schon durch den Warnhinweis „Vorsicht Satire“ zunichtemachen?), desto eher ist auch § 267 StGB zumindest objektiv erfüllt.
Der Einwand betrifft allerdings die subjektive Seite des § 267 StGB. Die Frage ist dann, ob es eine beabsichtigte „Täuschung im Rechtsverkehr“ darstellt, wenn der Täter ein angeblich von einer Firma oder Behörde stammendes Phantasie-Dokument verbreitet, um etwa auf Missstände hinzuweisen oder schlicht seine Meinung kund zu tun. Im vorliegenden Fall wollte der Täter wohl hauptsächlich, dass sich die Leser seiner Postkarte „Gedanken“ machen, ob diese Postkarte von dem Verlag stammt bzw. was die Antwortmöglichkeiten bedeuten mögen - das ist noch kein rechtserhebliches Verhalten. Nur ganz wenige haben die Karte tatsächlich eingesandt. Auch bei diesen (weniger als 1 %) fragt sich, ob sie wirklich am Preisausschreiben teilnehmen wollten (= mögliches rechtserhebliches Verhalten) oder ob sie nicht vielmehr sich mit dem Ansinnen des „Täters“ solidarisieren wollten, um den Verlag zum Nachdenken zu bewegen. Auch dies könnte sehr wohl der eigentlichen Absicht des Täters entsprechen. Denn dass die Einsender sich wirklich einen Preis versprachen, wäre für seine Absicht (Hinweis auf Missstände) kaum relevant gewesen – auch nicht als Zwischenziel. Und ein bloßer dolus eventualis, den Rechtsverkehr mit Urkunden zu beeinträchtigen, genügt hier eben nicht.
In der Interpretation von „zur Täuschung im Rechtsverkehr“ versteckt sich dann auch die verfassungsrechtliche Frage – natürlich endet auch die Kunst- und Meinungsfreiheit da, wo das Rechtsgut „Rechtsverkehr mit Urkunden“ ernsthaft in Gefahr gerät. Aber ist diese Gefahr in solchen Fällen (ernsthaft) gegeben?
Was meinen die Leser?