Brauchen wir Laienrichter im Kartellrecht?
Gespeichert von Dr. Rolf Hempel am
Kartellrechtliche Zivilstreitigkeiten sind Handelssachen. Sie können vor den mit einem Berufsrichter als Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern als Beisitzern besetzten Kammern für Handelssachen verhandelt und von diesen entschieden werden (ich verzichte auf die Paragraphenketten). Im Gesetzentwurf der Bundesregierung zu einem 8. Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist nun vorgesehen, dass kartellrechtliche Zivilsachen ausschließlich der Zivilkammer zugewiesen werden - ohne Wahlrecht für die Parteien und ohne Verweisungsmöglichkeit. Die Bundesregierung traut den Kollegialspruchkörpern der allgemeinen Zivilkammern eher zu, die mit den Schadensersatzansprüchen regelmäßig verbundenen komplexen sachlichen, ökonomisch und rechtlich Fragen zu bewältigen.
Der Bundesrat sieht dies anders. In seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf (vom 11.05.2012, Bundesrats-Drucksache 176/12 (Beschluss)) hat er festgehalten:
"Die geplante Änderung des § 85 Absatz 2 Nummer 1 GVG, mit der deliktische kartellrechtliche Schadensersatzansprüche aus der bisherigen Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen herausgelöst und – wegen der rechtlichen und sachlichen Komplexität dieser Verfahren – der mit drei Berufsrichtern besetzten Zivilkammer zugewiesen werden sollen, stößt auf Bedenken. Abgesehen von einer nicht sinnvollen Zuständigkeitssplittung (es werden nur die genannten Ansprüche aus der Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen herausgelöst) haben die Kammern für Handelssachen große Erfahrung und Expertise in diesem Bereich und sind zudem in der Regel konstanter besetzt als eine allgemeine Zivilkammer. Vor diesem Hintergrund erscheint es sachgerechter, den Parteien – wie bisher – die Wahlmöglichkeit zu belassen, ob sie den Rechtsstreit vor der Zivilkammer oder der Kammer für Handelssachen verhandelt wissen wollen".
Eine Beurteilung der jeweiligen Vorschläge von Bundesregierung und Bundesrat ist nicht ganz einfach. Meine eigenen Erfahrungen lassen mich eher den Vorschlag der Bundesregierung unterstützen, allerdings nicht ohne Modifikation. Zwar habe ich schon einige engagierte und gut informierte Handelsrichter erlebt. Wenn ich den Beklagten in Kartellzivilsachen zu vertreten hatte, hatte ich aber häufig das Gefühl, der Kläger habe sich die Kammer für Handelssachen anstelle der Zivilkammer ausgesucht, weil er offensichtlich meinte, vor den Laienrichtern mit einem "David-gegen-Goliath"-Argument besser zu punkten als vor der Zivilkammer. Außerdem habe ich es schon erlebt, dass sich die Kammer für Handelssachen ihrer Zuständigkeit für kartellrechtliche Ansprüche zwar bewusst war, das Kartellrecht aber nur als ungeliebtes Nebengebiet angesehen hat. Das ist nicht sachdienlich.
Richtig ist am Vorschlag des Bundesrates aber, dass es nicht sinnvoll ist, die Zuständigkeit zu „splitten“. Auch legt der Bundesrat mit dem Hinweis auf die konstantere Besetzung den Finger in die richtige Wunde. Ein häufiger Besetzungswechsel verhindert den Aufbau von Spezialkenntnissen.
Es muss also darum gehen, die Spezialisierung ausgewählter Kammern am Landgericht für das Kartellrecht weiter zu fördern, um rechtliches Know-how aufzubauen und zu bewahren. Das spricht für eine Abschaffung des Wahlrechts und für eine alleinige Zuständigkeit einer ausgewählten Zivilkammer am Landgericht für Kartellzivilsachen.