Arbeitgeber "betrügt" und "bescheißt"
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Die klagende Arbeitgeberin verlangt im Verfahren der einstweiligen Verfügung von der beklagten Gewerkschaft und ihren Vorstandsmitgliedern die Unterlassung beleidigender Äußerungen während eines Arbeitskampfes.
Arbeitgeberin verspricht erst Rückkehr zum Verbandstarifvertrag, wechselt dann aber in die OT-Mitgliedschaft
2009 hatte das Unternehmen mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) einen Tarifvertrag zur Zukunftssicherung abgeschlossen, der Einbußen der Arbeitnehmer u.a. beim Urlaubsgeld, bei den Urlaubstagen, der Jahreszuwendung und der Entgelterhöhung vorsah. Gemäß § 3 des Tarifvertrags sollten ab dem 01.01.2012 wieder die Entgelte des Flächentarifvertrags gelten. Während der Laufzeit des Tarifvertrags wechselte die Arbeitgeberin ihre Vollmitgliedschaft im Arbeitgeberverband in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft).
Arbeitnehmer und Gewerkschaftsfunktionäre machen lautstarken Druck
Im Rahmen der Tarifauseinandersetzung 2012 skandierten die streikenden Arbeitnehmer Sprechchöre in Reimform, in denen es u.a. hieß, dass die Arbeitgeberin sie „betrüge“ bzw. „bescheiße“. Hierbei waren Gewerkschaftssekretäre der NGG anwesend und schritten nicht ein. Teile der Parolen wurden auch von (mindestens) einem Gewerkschaftssekretär per Megafon gesprochen. Die Arbeitgeberin verlangt mit der einstweiligen Verfügung von der NGG sowie ihren drei Vorstandsmitgliedern und den beiden Gewerkschaftssekretären Unterlassung der näher bezeichneten Äußerungen im Rahmen eines Streiks bzw. die Einwirkung auf die Streikenden, solche Äußerungen zu unterlassen.
Unterlassungsklage bleibt erfolglos
Ihr Antrag hatte weder in erster noch in zweiter Instanz Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urt. vom 17.08.2012 – 8 SaGa 14/12) hat die beanstandeten Äußerungen aufgrund des Gesamtzusammenhangs nicht als Tatsachenbehauptungen im strafrechtlichen Sinne gewertet. Es handele sich um zugespitzte Äußerungen, mit denen die Arbeitnehmer zum Ausdruck brächten, dass sie sich angesichts des Wechsels der Arbeitgeberin in eine OT-Mitgliedschaft „betrogen“ gefühlt hätten. So verstanden seien die zugespitzen Äußerungen von der Meinungsfreiheit, die im Arbeitskampf auch der Gewerkschaft zustehe, noch gedeckt. Hinzu komme, dass derjenige Gewerkschaftssekretär, der an den Äußerungen aktiv beteiligt war, sich inzwischen in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befinde. Dass die weiteren beklagten Vorstandsmitglieder sich aktiv an den Äußerungen beteiligt hatten, habe die Arbeitgeberin nicht darlegen können.