Private Telefonate während laufender OP – Chefarzt-Kündigung gleichwohl unwirksam
Gespeichert von Prof. Dr. Markus Stoffels am
Die Szene könnte der Kabarettsendung „Neues aus der Anstalt“ entstammen, ist aber offenbar Realität an (einem) deutschen Krankenhaus. Der Kläger, Chefarzt für Allgemein- und Viszeralchirurgie an einem katholischen Krankenhaus in Rheinland-Pfalz, nahm zu Operationen regelmäßig auch sein privates Handy mit in den Operationssaal und deponierte es dort auf dem Ablagetisch. Er hatte das OP-Personal nach den Feststellungen der Vorinstanz angewiesen, jeden Anruf anzunehmen. Die Telefonate wurden dem Chefarzt überreicht. Er führte die Gespräche teilweise, während er die OP fortführte, indem ihm das Telefon ans Ohr gehalten wurde; teilweise unterbrach er die Operationen. Zu den Anrufen zählten Privatgespräche mit seiner Ehefrau, beispielsweise um „wichtige Termine“ mit dem Fliesenleger für sein Eigenheim zu koordinieren. Die Unterbrechungen erfolgten sowohl vor als auch nach dem Schnitt und dauerten mitunter Minuten. Die Patienten bemerkten diese Telefonate infolge der Narkose nicht; das OP-Team bezeichnete die Anrufe als äußerst störend. Die Bitte einer Anästhesistin, ein Telefonat zu unterlassen, ignorierte der Chefarzt. Der Krankenhausträger nahm dies zum Anlass, dem Mediziner ohne vorherige Abmahnung fristlos und hilfsweise fristgerecht zu kündigen. Das BAG (Urteil vom 25.10.2012 – 2 AZR 495/11) hielt jedoch – ebenso wie schon das LAG Rheinland-Pfalz – die Kündigung für unwirksam. Das Verhalten des Arztes sei zwar als schwerwiegende Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten zu werten. Dennoch sei eine fristlose Kündigung in diesem speziellen Fall überzogen, wenn man alle Interessen abwäge. Eine normale Kündigung war laut Arbeitsvertrag ausgeschlossen und konkret sei kein Patient geschädigt worden. Für den Chefarzt, der über 50 Jahre alt, verheiratet ist und zwei Kinder hat, spreche auch seine soziale Schutzbedürftigkeit. Anstelle einer sofortigen Entlassung hätte der Chefarzt nach Ansicht des BAG zunächst abgemahnt werden müssen. Die Entscheidung überrascht, wenn man bedenkt, dass der Chefarzt durch sein Verhalten die Gesundheit der Patienten gefährdet hat.