Der biologische Vater bleibt draußen
Gespeichert von Hans-Otto Burschel am
Die Kindesmutter hatte während der Empfängniszeit Geschlechtsverkehr sowohl mit ihrem nicht getrennt lebenden Ehemann als auch mit ihrem zwischenzeitlichen Liebhaber. Nach der Geburt lebten die Eheleute mit dem Kind weiterhin zusammen.
Gemäß § 1592 Nr. 1 BGB gilt der Ehemann als der Vater des Kindes.
Dies wollte der Liebhaber nicht hinnehmen und betrieb die Vaterschaftsanfechtung mit dem Antrag, selbst als Vater festgestellt zu werden.
Hilfsweise hat er beantragt, das Kind (bzw. die Eltern) zu verpflichten, in die genetische Abstammungsuntersuchung einzuwilligen und die Entnahme einer Speichelprobe, hilfsweise Blutprobe, zu dulden, die nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft entnommen werden muss (§ 1598 a BGB).
Das OLG Nürnberg (Beschluss v. 06.11.12 - 11 UF 1141/12) hat beide Anträge abgewiesen. Es vertritt die Auffassung, auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sei der (potentielle) leibliche Vater nicht berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, wenn zwischen dem Kind und seinem (rechtlichen) Vater eine sozial-familiäre Beziehung besteht.
Der EGMR habe in zwei Entscheidungen vom 22.03.2012 (Az.: 45071/09 und 23338/09) klargestellt, dass es sich um ein gänzlich anderes und viel weitergehendes Ziel handelt, den Status als rechtlicher Vater eines Kindes zu erhalten und die Vaterschaft eines anderen Mannes zu beenden, als lediglich zum Zweck des Umgangs mit dem Kind die biologische Vaterschaft klären zu lassen. Es sei zwar konventionsrechtlich verpflichtend, sicherzustellen, dass der biologische Vater nicht vollständig aus dem Leben des Kindes ausgesperrt werden könne, wenn es keine einschlägigen Kindeswohlgründe dafür gebe. Aus Art. 8 EMRK könne jedoch nicht die Verpflichtung abgeleitet werden, dem biologischen Vater zu erlauben, die Vaterschaft des rechtlichen Vaters anzufechten oder ein statusunabhängiges Verfahren zur Klärung der leiblichen Vaterschaft zur Verfügung zu stellen. Der EGMR habe in den beiden genannten Entscheidungen vom 22.03.2012 ausdrücklich betont, dass die Entscheidung, ob dem vermeintlichen biologischen Vater die Vaterschaftsanfechtung zu gestatten ist, innerhalb des staatlichen Ermessens- und Beurteilungsspielraums liegt
Auch der Ausschluss des biologischen Vaters aus dem Kreis der nach § 1598a BGB klärungsberechtigten Personen sei konventionsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal dann, wenn - wie hier - eine sozial-familiäre Beziehung des Kindes zu seinem rechtlichen Vater besteht. Ein Verstoß gegen die EMRK ergibt sich entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers auch nicht aus den genannten Entscheidungen des EGMR. Vielmehr hat der EGMR dort, wie bereits ausgeführt, ein Recht auf Klärung der leiblichen Vaterschaft in einem statusunabhängigen Verfahren verneint. Der Gerichtshof hat hierzu dargelegt, dass aus der Konvention und aus der Rechtsprechung des EGMR nicht nur keine Pflicht erwächst, dem vermeintlichen biologischen Vater zu gestatten, die Stellung des rechtlichen Vaters anzufechten, sondern auch keine Pflicht, eine separate Klage im Hinblick auf die Feststellung der biologischen - im Gegensatz zur rechtlichen - Vaterschaft zuzulassen. Die Entscheidung, eine gesonderte genetische Untersuchung zur Klärung der Abstammung eines Kindes nicht zu gestatten, liege innerhalb des staatlichen Ermessensspielraums (vgl. EGMR, Az. 23338/09 Rn. 78, 80).