Gerichte müssen keine Atomuhr haben
Gespeichert von Hans-Otto Burschel am
Die verlängerte Berufungsbegründungsfrist endete mit Ablauf des 14.02.2012. Der entsprechende mit Fax übermittelte achtseitige Schriftsatz erhielt vom Fax-Gerät des Gerichts des Aufdruck „ 15/02 2012 MI 00.00“.
Das OLG stellt fest, dass der Schriftsatz vor Beginn des Folgetages 00.00 Uhr hätte eingegangen sein müssen und damit – weil zwischen 24.00 Uhr und 00.00 Uhr keine, auch keine logische Sekunde existiert – vor Ablauf von 23.59 Uhr. Das aber bedeutet, dass das Empfangsgerät des Gerichts als Empfangszeit 23.59 Uhr hätte angeben müssen. Ein Eingang nach diesem Zeitpunkt, auch ein Eingang um 00.00 Uhr des Folgetags, wahrt die Frist nicht.
Wiedereinsetzung gewährt der Senat nicht. Spekulationen, ob das Faxgeät des Gerichts die falsche Zeit angezeigt haben könnte, erteilt der Senat eine Absage:
Allein die theoretische Möglichkeit, dass das Faxempfangsgerät des Gerichts nicht die physikalisch exakte Zeit angezeigt haben könnte, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Insbesondere besteht auch keine Verpflichtung des Gerichts zur Gewährleistung einer physikalisch exakten Empfangszeit sowie deren Dokumentierung.
An der Bewertung, dass ein Telefax nicht als fristwahrend eingegangen anzusehen ist, wenn seine letzte Seite mit der Unterschrift des Verfassers den Aufdruck 00 Uhr 00 des auf den Fristablauf folgenden Tages zeigt, ändert der Umstand nichts, dass bei einem Telefaxgerät, dessen Systemzeit – wie hier – manuell eingestellt ist, die Zeitangabe nicht der exakten physikalischen Zeit entsprechen muss und typischerweise auch nicht entsprechen wird, sondern von dieser um einige Sekunden abweichen kann. Nicht auf diese physikalisch exakte Zeit stellen indes die gesetzlichen Fristvorschriften ab, sondern auf die Zeiterfassung der jeweiligen Eingangsstelle. Das liegt auf der Hand etwa für Gerichtsbriefkästen, gilt aber auch für elektronische Geräte, bei denen eine Erfassung der Eingangszeit nach Maßgabe der physikalischen Zeit (etwa mittels einer entsprechend geeichten Funkuhr) an sich bei dem jetzigen Stand der Technik möglich sein dürfte, wenn sie auch gerade bei Telefaxempfangsgeräten dem allgemeinen Stand der Technik (zumindest noch) nicht entspricht. Es gibt jedenfalls keine gesetzliche Verpflichtung der Stellen, bei denen Schriftsätze fristwahrend eingereicht werden können, sicherzustellen, dass die Eingangszeit physikalisch exakt dokumentiert wird, und es kann erst recht nicht in Betracht kommen, dort, wo dies nicht geschieht, dem Absender die daraus folgende mögliche Ungenauigkeit der Zeiterfassung zu Gute zu halten.
OLG Nürnberg v. 30.05.12 - 12 U 2453/11