LAG Köln zur Kündigung wegen Whistleblowing
Gespeichert von Prof. Dr. Markus Stoffels am
Das LAG Köln (Urteil vom 05.07.2012 - 6 Sa 71/12) hat in einem jetzt veröffentlichten Urteil über einen Sachverhalt entschieden, den man unter der Chiffre „Whistleblowing“ einordnen könnte. Dieser Fragenkreis ist hoch umstritten und wird von manchen politischen Parteien für regelungsbedürftig gehalten (vgl. z.B. den Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes der SPD, BT-Drucks. 17/8567).
Vom LAG war über die die Klage einer Hauswirtschafterin zu befinden, die in einem Privathaushalt angestellt und dort mit der Betreuung von zwei Kindern im Alter von zehn Monaten und zwei Jahren beschäftigt war. Nachdem die Hauswirtschafterin sich an das Jugendamt gewandt und über Verwahrlosung und dadurch hervorgerufene körperliche Schäden der zehn Monate alten Tochter berichtet hatte, war ihr gegenüber von den Eheleuten eine fristlose Kündigung ausgesprochen worden. Ein kinderärztliches Attest wies dagegen aus, dass die Tochter einen altersgemäß unauffälligen Untersuchungsbefund habe. Zeichen von Verwahrlosung lägen nicht vor. Das LAG sah in der Anzeige eine unverhältnismäßige Reaktion auf die zuvor ausgesprochene ordentliche Kündigung. Selbst dann, wenn die Vorwürfe als richtig unterstellt würden, habe die Hauswirtschafterin unter Beachtung ihrer Loyalitätspflichten zunächst eine interne Klärung mit dem Ehepaar versuchen müssen. Erst nach Scheitern eines solchen Versuches habe eine Behörde eingeschaltet werden dürfen. Ob die Behauptungen der Hauswirtschafterin zutreffend seien, hat das LAG dahinstehen lassen.
Das LAG sieht sich hierbei im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Hiernach unterfielen zwar Anzeigen eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber dem Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 10 EMRK. Allerdings habe ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch den Ruf des Arbeitgebers zu schützen. Zwischen diesen Rechten und Pflichten sei eine Abwägung vorzunehmen, wenn es um die Frage gehe, ob ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer kündigen darf, der ihn anzeigt. Wesentlich sei dabei nach der Rechtsprechung des EGMR unter anderem, ob der Arbeitnehmer die Offenlegung in gutem Glauben und in der Überzeugung vorgenommen hat, dass die Information wahr sei, dass sie im öffentlichen Interesse liege und dass keine anderen, diskreteren Mittel existierten, um gegen den angeprangerten Missstand vorzugehen (EGMR vom 21.07.2011, NZA 2011, 1269 - Heinisch). Auf den letztgenannten Punkt stützt das LAG offensichtlich seine Entscheidung.