Gerechtigkeit als Ware? – Morgen entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die "Absprachen im Strafprozess"
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Nachdem sich gerade noch der Strafverteidigertag in der Arbeitsgruppe „Wer dealt, sündigt nicht“ mit den Absprachen im Strafprozess beschäftigt hatte (dazu ein aktueller Bericht von Helene Bubrowski in der FAZ vom 16.3.2013 S. 10), ist es morgen nun soweit. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts wird sein Urteil zur Zulässigkeit von „Absprachen im Strafprozess“ verkünden.
Das Wesen der Verständigung liegt in der Formalisierung bei der forensischen Wahrheitssuche. Im Strafverfahren ist das Tatgeschehen, der historische Sachverhalt, den Verfahrensbeteiligten "nicht unmittelbar" zugänglich, sondern muss erst aus anderen Tatsachen erschlossen werden. Bei der Wahrheitsermittlung im Sinne einer Rekonstruktion des Geschehenen geht es nicht nur um Beobachten und Abbilden, sondern auch um Verhandeln und Abstimmen. Die Wahrheitssuche ist also ein verletzlicher Prozess, der durch Förmlichkeiten geschützt ist (näher dazu Hassemer Festschrift für Volk, 2009, S. 217 ff). Die Entwicklung vom Informellen – bis zur gesetzlichen Regelung in § 257c StPO ging es der Praxis darum, sich vom formellen Recht gewisse "Erleichterungen" zu verschaffen – zur nunmehr vorgenommenen gesetzlichen Formulierung ist deshalb bemerkenswert, weil sie eindrucksvoll belegt, dass das Wesen der Informalität im Strafprozessrecht gerade darin besteht, die Formen und die Ergebnisse des Verhandelns bis hin zur Abstimmung aus den Fesseln des formellen Rechts zu befreien. Ist das Bedürfnis nach Informalität erst einmal anerkannt (vgl. BGHSt 43, 195, 202), dann bahnt es sich seinen Weg bis zu den Mindestanforderungen, die wiederum in den informellen Teil vorverlagert werden (Fischer NStZ 2007, 71, 75). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht wie auch jüngst beim Strafverteidigertag ist deutlich geworden, dass sich in der Praxis weder Richter noch Strafverteidiger an die gesetzliche Regelung halten.
Der Gesetzgeber kann die Verständigung im Strafverfahren regeln und womöglich sogar in der Weise, wie es geschehen ist. Wie das Bundesverfassungsgericht sicherstellen will, dass einfaches Recht künftig eingehalten wird, darauf bin ich gespannt.