Fahrradhelm hilft - oder: Mitverschulden beim Unfall mit Rennrad
Gespeichert von Carsten Krumm am
Im Blog hatten wir schonmal das Thema Helm. Hier ein Auszug aus einer Entscheidung des AG München, auf die ich unlängst im Fachdienst Straßenverkehrsrecht aufmerksam geworden bin:
Wie bei der Verwendung eines Sicherheitsgurtes in einem Kraftfahrzeug erscheint es vielmehr als entscheidend, ob die Verwendung eines Schutzhelms zur Schadensminderung geeignet und sinnvoll ist und ob eine entsprechende allgemeine Überzeugung besteht (vgl. Oetker, Münchner Kommentar zum BGB, 6. Aufl., § 254 Rdnr. 41). Dies ist der Fall zumindest in den Verkehrskreisen, in denen die sportlichen Aspekte des Radfahrens im Vordergrund stehen.
a) Zunächst einmal kann es keinen Zweifel unterliegen, dass ein Helm geeignet erscheint, Kopfverletzungen zu vermeiden, zumindest in ihrer Intensität abzumildern. Denn der Kopf des Radfahrers ist bei einem Sturz mangels einer Knautschzone oder eines Rückhaltesystems wie in einem geschlossenen Pkw offensichtlich besonderen Gefahren ausgesetzt. Insoweit ist der Radfahrer durchaus, wenn nicht in gleichem Umfang, aber doch in grundsätzlicher gleicher Weise den Gefahren ausgesetzt, zu deren Abwehr auch für den Motorradfahrer die Notwendigkeit der Einführung der Helmpflicht gesehen wurde (vgl. Janker in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, StVR, 22. Auflage 2012, Rn. 5). Dies zeigt sich aber auch im konkreten Fall, bei dem es bei dem Radfahrer A. R. in erster Linie zu schwerwiegenden Kopfverletzungen gekommen ist. Es liegt auf der Hand, dass ein Schutz des Kopfes durch einen entsprechend ausgestalteten Helm geeignet erscheint, solche Verletzungen zumindest in ihrer Intensität abzumildern.
b) Dass die Kenntnis dieser Zusammenhänge zwischen den Schutzwirkung des Helmes und den Verletzungen des Kopfes jedenfalls den Verkehrskreisen bekannt ist. zu denen auch der hier verletzte Radfahrer R. zu zählen ist, zeigt der Umstand, dass das Tragen von Schutzhelmen jedenfalls bei Radsportveranstaltungen überwiegend obligatorisch ist und vom internationalen Radsportverband UCI, worauf selbst die Klägerin hinweist, für Trainingsfahrten jedenfalls empfohlen wird. Auch wenn der verletzte Radfahrer ... hier nicht an einem Radrennen teilgenommen hat, begründen doch verschiedene Umstände zumindest den ersten Anschein, dass auch er zur Gruppe der Radfahrer zu zählen ist, bei denen der sportliche Aspekt des Radfahrens im Vordergrund steht.
Das ergibt sich zunächst einmal aus der Art des benutzten Rades, bei dem es sich um ein Rennrad der sowohl technischen als auch finanziellen Spitzenklasse handelt (vgl. OLG München, Urteil vom 3.3.2011, OLGMUENCHEN Aktenzeichen 24U38410 24 U 384/10,
und OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.6.2007, OLGDUESSELDORF Aktenzeichen 1U27806 1 U
278/06, denen zufolge bereits die Benutzung eines Rennrades den Anscheinsbeweis für eine sportliche Fahrweise erlaubt). Es ohne weiteres die Vermutung begründet, dass ein solches Rad nicht zum bloß gemütlichen „Radeln“ verwendet wird, wie dies bei einem durchschnittlichen Tourenrad der Fall ist. Dies darf insbesondere bei solchen Personen angenommen werden, die wie der Zeuge R. aufgrund Mitgliedschaft in einem Radsportverein und zumindest früherer engagierter Mitwirkung in diesem Verein eine besondere Affinität zum Radsport haben.
Hinzukommt, dass dem Zeugen R. der Nutzen eines Fahrradhelmes offensichtlich durchaus bewusst war. Dies ergibt sich nicht nur zwangsläufig aus seiner langjährigen Vergangenheit als Radsportler. Dies ergibt sich auch seinen eigenen Angaben in seiner Vernehmung als Zeuge. Diese zeigen nämlich auf, dass ihm das Risiko, das er durch das Nichttragen eines Schutzhelmes eingegangen ist, durchaus bewusst war. Er räumte selbst ein, dass ihm der Nutzen eines Helmes klar war, meinte aber, wie der Gesamtzusammenhang seiner Aussage offenbarte, dieses Risiko dadurch minimieren zu können, dass er vorzugsweise auf Nebenstraßen ohne viel Verkehr fahren würde. Er sah von dem Tragen eines Schutzhelmes lediglich deshalb ab, weil es ihm am fraglichen Tag hierfür zu heiß war.
c) Der verletzte Radfahrer A. ... ist unter diesen Umständen durch das Nichttragen eines Schutzhelmes sehenden Auges ein ihm bekanntes Risiko eingegangen, dass sich hier durch die Kollision mit dem Fahrzeug der Beklagten zu 1) in für ihn vorhersehbarer Weise verwirklicht hat. Durch die bewusste Missachtung der eigenen Interessen hat er auf diese Weise zumindest zu einer Vertiefung des entstanden Schadens beigetragen, wofür bereist der erste Anschein spricht (vgl. OLG München, a. a. O). Dies ist mit dem Abzug von dem geltend gemachten Schadensbetrag bei der Schadensabwicklung durch die Beklagte zu 2) zu Recht und in angemessener Höhe gem. § BGB §
254 BGB § 254 Absatz I BGB in Rechnung gestellt worden. Ein
über die bereits geleistete Zahlung hinausgehender Anspruch auf Schadensersatz ist daher nicht begründet.
LG München II, Schlussurteil vom 09.08.2012 - 8 O 345/12 BeckRS 2013, 05443