Vorhergehendes Leiharbeitsverhältnis wird nicht auf Probezeit angerechnet
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Die ordentliche Kündigung eines Arbeitgebers bedarf erst dann einer sozialen Rechtfertigung (§ 1 Abs. 2 KSchG), wenn das Arbeitsverhältnis mehr als sechs Monate bestanden hat (§ 1 Abs. 1 KSchG). In den ersten sechs Monaten (der gesetzlichen Warte- oder Probezeit) darf sie zwar nicht gegen gesetzliche Verbote wie § 138 BGB oder § 1 AGG verstoßen, ist aber nicht an die strengeren Voraussetzungen des allgemeinen Kündigungsschutzes geknüpft.
Die bislang herrschende Auffassung interpretiert den Gesetzestext des § 1 Abs. 1 KSchG ("... gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen länger als sechs Monate bestanden hat ...") dahingehend, dass die Beschäftigung als Leiharbeitnehmer nicht ausreicht. Denn sie begründet - wenn der Verleiher eine Erlaubnis hat - ein Arbeitsverhältnis nur mit dem Verleiher, nicht aber mit dem Entleiher. Konsequenz dieser Auffassung ist, dass ein vom Entleiher als Stammkraft übernommener bisheriger Zeitarbeitnehmer nochmals eine gesetzliche "Probezeit" von sechs Monaten durchlaufen muss, auch wenn er schon längere Zeit in dem Betrieb eingesetzt war.
Diese Auffassung bestätigt jetzt das LAG Niedersachsen (Urt. vom 05.04.2013 - 12 Sa 50/13, BeckRS 2013, 68972):
"1. Mit der Formulierung "dessen Arbeitsverhältnis" knüpft § 1 Abs. 1 Satz 1 KSchG an die Dauer der Bindung mit dem jeweiligen Vertragsarbeitgeber an. Die Zusammenrechnung mehrerer Arbeitsverhältnisse, zwischen denen ein enger sachlicher Zusammenhang besteht, kommt nur in Betracht, wenn diese Arbeitsverhältnisse mit demselben Vertragsarbeitgeber bestanden haben.
2. Selbst wenn ein Leiharbeitnehmer zuvor mehrere Monate im Entleiherunternehmen auf demselben Arbeitsplatz eingesetzt worden ist, auf dem er auch im Rahmen einer Anschlussbeschäftigung direkt beim Entleiher tätig wird, handelt es sich nicht um ein einheitliches sondern um zwei aufeinanderfolgende Arbeitsverhältnisse mit verschiedenen Arbeitgebern. Folge ist, dass die sechsmonatige Wartefrist nach § 1 Abs. 1 Satz 1 KSchG neu zu laufen beginnt." (Leitsätze des Gerichts)
Es überrascht ein wenig, dass die Begründung mit keinem Wort auf das Urteil des BAG vom 24.01.2013 - 2 AZR 140/12, APNews 2013, 71, eingeht, auch wenn dieses Urteil bislang nur als Pressemitteilung und nicht im Volltext vorliegt. Die Entscheidung des BAG betrifft die Betriebsgröße nach § 23 KSchG, bei der Leiharbeitnehmer mitzuzählen sein können. Sie könnte Anlass geben, auch mit Blick auf § 1 Abs. 1 KSchG die bisherigen Argumente neu zu überdenken.