Hessen muss Lehrer über die gesetzliche Altersgrenze hinaus beschäftigen
Gespeichert von Prof. Dr. Markus Stoffels am
Das VG Frankfurt a.M. (Beschluss vom 25.7.2013 – 9 L 2184/13.F) belebt die schon befriedet geglaubte Diskussion um die Zulässigkeit einer allgemeinen regulären Altersgrenze. Nach den Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Rosenbladt (EuGH 12.10.2010- Rs. C- 45/09= NZA 2010, 1167) und Hörnfeldt (EuGH 5.7.2012- Rs. C- 141/ 11= NZA 2012, 785) hatte sich die Tendenz verfestigt, dass der EuGH in regulären Altersgrenzen keine unzulässige Altersdiskriminierung erblickt und keine allzu hohen Rechtfertigungsanforderungen aufstellt. Vor diesem Hintergrund erscheint eine neuere – im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangene – Entscheidung des VG Frankfurt zur allgemeinen Regelaltersgrenze des Hessischen Beamtengesetzes bemerkenswert. Der Antragsteller ist Studienrat, der aufgrund der Vollendung seines 65. Lebensjahres zum 31. Juli 2013 in den Ruhestand treten würde. Im Dezember 2012 hatte er beim Hessischen Kultusministerium – Antragsgegner – beantragt, den Eintritt in den Ruhestand um ein Jahr hinauszuschieben. Der Antragsgegner lehnte den Antrag im Mai 2013 ab. Der Antragsteller hat daraufhin um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Das VG Frankfurt hat den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller über den 01.08.2013 hinaus als Studienrat längstens bis zum 31.07.2014 zu beschäftigen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der unionsrechtlich garantierte Schutz des Einzelnen davor durch einen EU-Mitgliedsstaat wegen seines Lebensalters nicht diskriminiert zu werden sei vorliegend verletzt. Der Anspruch des Antragstellers, weiterhin im aktiven Beamtenverhältnis beschäftigt zu werden, beruhe auf der Nichtanwendbarkeit der allgemeinen Regelaltersgrenze nach § 50 Hessisches Beamtengesetz – HGB -. Diese Regelung sei vorliegend nicht anwendbar, weil sie in Widerspruch zur hier einschlägigen, höherrangigen und unmittelbar Gültigkeit beanspruchenden Richtlinie 2000/78/EG stehe. Nach § 6 Abs. 1 dieser RL seien Ungleichbehandlungen wegen des Alters – eine solche liege beim Ruhestandseintritt infolge des Erreichens einer allgemeinen Altersgrenze unstreitig vor – gerechtfertigt, sofern sie zur Erreichung rechtmäßiger Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik und Arbeitsmarkt angemessen und erforderlich sei. In Anwendung dieser Bestimmung habe der Europäische Gerichtshof – EuGH – entschieden, dass die RL 2000/78/EG einem Gesetz wie § 50 HBG, das die zwangsweise Versetzung von Beamten auf Lebenszeit in den Ruhestand mit Vollendung des 65. Lebensjahres vorsehe, nicht entgegenstehe, wenn es im dienstlichen Interesse liege, sofern dieses Gesetz zum Ziel habe, eine ausgewogene Altersstruktur zu schaffen, um die Einstellung und Beförderung von jüngeren Berufsangehörigen zu begünstigen, die Personalplanung zu optimieren und damit Rechtsstreitigkeiten über die Fähigkeit des Beschäftigten, seine Tätigkeit über ein bestimmtes Alter hinaus auszuüben, vorzubeugen, und es die Erreichung dieses Ziels mit angemessenen und erforderlichen Mitteln ermögliche. Der VG moniert jedoch, es sei vorliegend notwendig gewesen, dass der Gesetzgeber eine auf Tatsachen basierende Prognose über den Anteil derjenigen Lehrer und Lehrerinnen getroffen hätte, die vorzeitig in den Ruhestand treten, die mit der Regelaltersgrenze in den Ruhestand treten und die gegebenenfalls über die Altersgrenze hinaus tätig sein wollten, um eine vernünftige, die widerstreitenden Interessen zum Ausgleich bringende Regelung über den Ruhestandseintritt von Angehörigen dieser Berufsgruppe treffen zu können. Insofern sei die die Notwendigkeit der Beibehaltung einer allgemeinen Altersgrenze auch nicht auf Tatsachen, die es dem Gericht ermöglichten, die ihm obliegende Überprüfung der Angemessenheit und Notwendigkeit dieser Maßnahme positiv festzustellen. Das Fehlen solcher Angaben gehe zu Lasten des insoweit beweispflichtigen Ministeriums.