Nochmals: Vorhergehendes Leiharbeitsverhältnis und Wartezeit
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Bereits vor zwei Monaten hatte ich hier im BeckBlog über ein Urteil des LAG Niedersachsen berichtet. Es ging um die Frage, ob ein Arbeitnehmer, der bislang als Leiharbeitnehmer in dem Betrieb tätig war und jetzt in die Stammbelegschaft übernommen wird, sofort allgemeinen Kündigungsschutz (§ 1 KSchG) genießt oder ob er zunächst die sechsmonatige Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG absolvieren muss. Das LAG Niedersachsen steht auf dem Standpunkt, dass der Arbeitnehmer innerhalb der ersten sechs Monate als Stammarbeitnehmer noch keinen allgemeinen Kündigungsschutz genießt.
Dieselbe Auffassung vertritt jetzt auch das LAG Rheinland-Pfalz. Das Gericht setzt sich - anders als das LAG Niedersachsen - erstmals auch mit der aktuellen Judikatur des BAG auseinander. Es sieht aber keinen Anlass, deswegen seine bisherige Linie zu verlassen:
"Mit dem Arbeitsgericht geht die Berufungskammer davon aus, dass die vom Kläger als Leiharbeitnehmer im Betrieb der Beklagten zurückgelegte Beschäftigungszeit vom 14.02.2011 bis 31.12.2011 nicht bei der Berechnung der sechsmonatigen Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG zu berücksichtigen ist. Nach ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur, ist eine als Leiharbeitnehmer im Betrieb des späteren Arbeitgebers verbrachte Zeit nicht auf die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG anzurechnen ist (LAG Rheinland-Pfalz 08.05.2011 - 8 Sa 137/11 - Rn. 33, 27.11.2008 - 10 Sa 486/08 - Rn. 44, LAG Köln 29.05.2009 - 4 Sa 1096/08 - Rn. 19, jeweils zitiert nach juris; ErfK/Oetker, 13. Auflage § 1 KSchG Rn. 36; vgl. auch BAG v. 08.12.1988 - 2 AZR 308/88 - AP Nr. 6 zu § 1 BeschFG 1985). Da ein Leiharbeitnehmer bei erlaubter gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung sich lediglich im Verhältnis zum Verleiher in einem Arbeitsverhältnis befindet, kann die Zeit der Beschäftigung als Leiharbeitnehmer bei Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem ehemaligen Entleiher nicht bei Berechnung der Wartezeit berücksichtigt werden (KR-Griebeling, 10. Auflage, § 1 KSchG, Rz. 106, m. w. N.). Der vom Kläger im Rahmen der Erörterungen in der Berufungsverhandlung vertretenen Auffassung, an dieser Sichtweise ändere sich möglicherweise etwas durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, dass Leiharbeitnehmer bei der für die Größe des Betriebsrats maßgeblichen Anzahl der Arbeitnehmer eines Betriebs nach § 9 BetrVG grundsätzlich zu berücksichtigen sind (BAG 13.03.2013 zu - 7 ABR 69/11 - PM, zitiert nach juris), vermochte die Kammer nicht zu folgen. Die herangezogene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts befasst sich ebenso wie dessen Entscheidung, dass bei der Berechnung der Betriebsgröße nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG auch im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen sind, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruht (BAG 24.01.2013 - 2 AZR 140/12 - PM, zitiert nach juris) ausschließlich mit der Frage der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der Ermittlung der Größe des Betriebs, während § 1 Abs. 1 KSchG auf den Bestand des individuellen Arbeitsverhältnisses im Betrieb abstellt. Eine entsprechende Betrachtung ist daher nicht geboten."
LAG Rheinland-Pfalz, Urt. vom 16.05.2013 - 6 Sa 552/12, BeckRS 2013, 70953.