Fristlose Kündigung wegen fehlerhafter Arbeitszeitprotokollierung
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Der Kläger ist US-amerikanischer Staatsbürger und als leitender Radartechniker in der Westpfalz beschäftigt. Die beklagte Arbeitgeberin hat ihren Hauptsitz in den USA, sie erbringt Serviceleistungen für die US-Armee. Dieser gegenüber hat sie sich vertraglich verpflichtet, Radaranlagen zu bestimmten Zeiten zu betreiben.
Infolge eines Gewitters fiel am 05.07.2012 in der Radarstation der Strom aus. Nach Ansicht des Klägers war mit einer Wiederaufnahme des Radarbetriebs an diesem Tag nicht mehr zu rechnen. Er entließ zwei ihm unterstellte Techniker, deren Schicht von 13.00 bis 21.00 Uhr dauern sollte, vorzeitig (gegen 18.15 Uhr) nach Hause. Dies teilte er am Folgetag seinem Vorgesetzten mit. Die zwei Arbeitnehmer hatten auf ihren Zeiterfassungskarten für den 05.07.2012, die der Kläger als deren Vorgesetzter geprüft und gegengezeichnet hat, einen vollen Arbeitstag von 8 Stunden aufgeschrieben, obwohl sie fast 3 Stunden vor dem Ende ihrer Arbeitszeit nach Hause gegangen sind.
Die Beklagte kündigte dem Kläger daraufhin fristlos.
Während seine Kündigungsschutzklage in erster Instanz Erfolg hatte, hat das LAG Rheinland-Pfalz sie abgewiesen: Das Verhalten des Klägers sei nicht gerechtfertigt gewesen.
"Dabei kann dahinstehen, wie lange der Stromausfall andauerte, der durch das Gewitter am 05.07.2012 verursacht worden ist. Der Kläger war nicht befugt, die ihm unterstellten Techniker mindestens 2 Stunden vor Schichtende nach Hause zu schicken und ihnen gleichwohl eine Arbeitszeit von 8 Stunden zu bescheinigen. Selbst wenn er sich wegen des Stromausfalls für berechtigt gehalten haben sollte, die Techniker ohne Rücksprache mit seinem Vorgesetzten T. E. zu entlassen, weil nach seiner Einschätzung der Konverter bis zum Schichtende um 21:00 Uhr zur Vermeidung von Schäden an den Radaranlagen nicht mehr hätte eingeschaltet werden dürfen, hätte er jedenfalls auf den Zeiterfassungskarten dokumentieren müssen, dass die zwei Techniker vorzeitig gegangen sind. Er war nicht befugt, einen 8-stündigen Arbeitstag auf den „Time Cards“ zu bestätigen, obwohl dies nicht der Wahrheit entsprach.
Ob die zwei Radartechniker Vergütung für die Zeit beanspruchen konnten, in der sie sich nicht mehr auf dem Militärgelände aufhielten, hatte nicht der Kläger zu entscheiden. Er hatte als Vorgesetzter die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten wahrheitsgemäß zu dokumentieren. Es entlastet den Kläger nicht, dass die Techniker für die wegen des Stromausfalls nicht geleistete Arbeit u. U. Vergütung nach den Grundsätzen des Annahmeverzugs beanspruchen können, weil die Beklagte das Betriebsrisiko i. S. v. § 615 Satz 3 BGB zu tragen hat. Der Kläger hat durch die falsche Dokumentation der Arbeitsstunden verhindert, dass die Beklagte in Kenntnis der tatsächlichen Umstände die Anspruchsvoraussetzungen prüft."
LAG Rheinland-Pfalz, Urt. vom 23.05.2013 - 10 Sa 6/13, BeckRS 2013, 71098