§ 211 StGB - Mord - einfach aus dem Gesetz streichen?
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Der Strafrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins (DAV) ist heute mit einem Vorschlag an die Öffentlichkeit getreten, der für Diskussionen sorgen sollte.
Der Entwurf lautet:
"§ 211 StGB entfällt
§ 212 StGB Tötung
Wer einen Menschen tötet, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
§ 213 StGB minder schwere Fall der Tötung
Im minder schweren Fall der Tötung ist die Freiheitsstrafe ein bis zehn Jahre"
(Quelle)
Verfahrensrechtlich wird zudem bei Tötungsdelikten eine zweiteilige Verhandlung (formelles Schuldinterlokut) vorgeschlagen, so dass die Tataufklärung deutlich von der Verhandlung über die Strafzumessung getrennt werde.
So sehr die Kritik an der noch aus nationalsozialistischer Zeit stammenden tätertypologischen Formulierung des derzeitigen § 211 StGB ("Mörder ist..") und § 212 StGB ("...wird als Totschläger ...") und an den derzeitigen Mordmerkmalen zutrifft, so verwundert doch der radikale Schritt in diesem Vorschlag, zwischen verschiedenen Tötungsfällen die ganze Bandbreite von einem Jahr bis zu lebenslanger Freiheitsstrafe zuzulassen, ohne jegliche konkretere gesetzliche Merkmale anzugeben. Dies wird v.a. damit begründet, dass jeder Einzelfall so verschiedene Aspekte in sich vereine, dass abstrakte gesetzliche Vorgaben nicht sinnvoll seien.
Der DAV will damit die Ausbildung näherer Strafzumessungskriterien in Tötungsfällen allein der richterlichen Rechtsfortbildung überlassen. Hier wird "erwartet", dass sich Fallgruppen herausbilden werden. Der völlige Verzicht auf gesetzliche Vorgaben hinsichtlich einer Differenzierung zwischen schweren Fällen der vorsätzlichen Tötung (bislang: "Mord") und "normalen" bzw. "minder schweren Fällen" wird damit begründet, dass so ein Legitimationsgewinn gegenüber der starren Vorgaben des § 211 StGB und "seiner nur vorgetäuschten Genauigkeit" erzielt werden könne.
In der ausführlicheren (sehr lesenswerten) Erläuterung wird auf den tatsächlich längst überfälligen Reformbedarf der Tötungstatbestände hingewiesen und auf bisherige Reformvorschläge eingegangen.
Merkwürdigerweise wird dabei gegen frühere Vorschläge, mit denen die Regelbeispielstechnik bei den Tötungsdelikten eingeführt werden sollte, u.a. mit Argumenten gestritten, die noch viel eher gegen den jetzigen Vorschlag des DAV sprechen. So sei an der Regelbeispielstechnik zu kritisieren, dass das Bestimmtheitsgebot umgangen werde. Dass dem Bestimmtheitsgebot aber besser genügt wird, wenn man auf jegliche gesetzliche Vorgabe verzichtet und einfach darauf vertraut, dass sich das Recht in der Praxis von selbst in die vom DAV gewünschte Richtung entwickelt, wage ich zu bezweifeln. Der Verzicht auf jegliche Vorgabe wird nach meiner Einschätzung eher zu einer Zementierung der bisherigen praktischen Kasuistik der Mordmerkmale führen (nunmehr ohne am Gesetzeswortlaut zu "kleben") als dazu, dass nun die Landgerichte und der BGH ganz neue Überlegungen anstellen. Wenn man - wie der DAV wohl zu Recht - die "niedrigen Beweggründe" generell als Merkmal für verfehlt hält, dann sollte dies auch im Gesetz zum Ausdruck kommen. Man wird also m. E. bei einer - nötigen! - Reform der Tötungsdelikte nicht umhin kommen, für die jeweilige Richtung (schwere und minder schwere Tötungsfälle) gesetzliche Kriterien zu formulieren.
Was meinen Sie?