Schüth gibt nicht auf
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Das Verfahren hat die Chance, als eines der längsten in die Geschichte des deutschen Arbeitsrechts einzugehen: Der Kirchenmusiker Schüth, seit 1983 als Organist und Chorleiter einer katholischen Gemeinde in Essen beschäftigt, hatte sich 1994 von seiner Ehefrau, mit der er zwei Kinder hatte, getrennt. Er war zu seiner Lebensgefährtin gezogen, die ein Kind von ihm erwartete. Die Trennung wurde im Januar 1995 bekannt. Am 15.7.1997 kündigte die Kirchengemeinde das Arbeitsverhältnis, weil Herr Schüth gegen die Grundordnung der Katholischen Kirche für den kirchlichen Dienst im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse verstoßen habe. Seine Kündigungsschutzklage hatte vor dem ArbG Essen und dem LAG Düsseldorf zunächst Erfolg (1. und 2. Instanz). Auf die Revision der Arbeitgeberin hob das BAG des Berufungsurteil auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück (3. Instanz). Dieses wies nunmehr die Kündigungsschutzklage ab (4.). Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wurde vom BAG verworfen (5.), das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zu Entscheidung an (6.).
Erfolg hatte der Kläger dann aber beim EGMR, der feststellte, dass die deutschen Gerichte mit ihren Entscheidungen das Recht von Herrn Schüth auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) verletzt hätten (EGMR, Urt. vom 23.9.2010 - 1620/03, NZA 2011, 279 - Urteil Nr. 7). Deutschland wurde zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 40.000 Euro verurteilt (Nr. 8; siehe hier im BeckBlog). Die daraufhin erhobene Restitutionsklage wiesen das LAG Düsseldorf (Nr. 9) und das BAG mit Entscheidung Nr. 10 ab, weil § 580 Nr. 8 ZPO nach der Übergangsvorschrift des § 35 EGZPO auf das Verfahren von Herrn Schüth noch nicht anwendbar sei (hier im BeckBlog).
Damit gab der Kläger aber keineswegs auf: Nunmehr klagt er auf Wiedereinstellung rückwirkend zum Tage des EGMR-Urteils (23.9.2010), hilfsweise ab Zustellung seiner Klage. Damit hatte er vor dem ArbG Essen (Nr. 11) und jetzt auch vor dem LAG Düsseldorf (Urt. vom 5.6.2014 - 11 Sa 1484/13 - Nr. 12) keinen Erfolg: Der Erfolg des Klägers vor dem EGMR verschaffe ihm nicht automatisch einen Wiedereinstellungsanspruch. Dieser sei vielmehr von einer umfassenden Interessenabwägung abhängig, die hier zu seinem Nachteil ausfalle. Das LAG hat die Revision zugelassen, so dass wir uns im kommenden Jahr wohl auf Urteil Nr. 13 freuen dürfen.
Zur Erinnerung: Das Arbeitsverhältnis dauerte 14 Jahre. Der Prozess jetzt schon 17.