EuGH: Urlaub(sabgeltung) auch für Tote
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Der EuGH ist immer wieder für Überraschungen im Urlaubsrecht gut. Nachdem er mit den Urteilen Schultz-Hoff (EuGH 20.1.2009 - C-350/06, NZA 2009, 135) und KHS/Schulte (EuGH 22.11.2011 - C-214/10, NZA 2011, 1333) das deutsche Urlaubsrecht reichlich durcheinander gewirbelt hatte, glaubte man sich schon fast wieder in ruhigerem Fahrwasser. Das BAG hat seine Judikatur komplett umgekrempelt und sich insbesondere von der "Surrogatstheorie" verabschiedet: Der finanzielle Anspruch auf Urlaubsabgeltung (§ 7 Abs. 4 BUrlG) ist ein reiner Geldanspruch und kein Surrogat für den nicht in Anspruch genommenen Urlaub (BAG 19.6.2012 - 9 AZR 652/10, NZA 2012, 1087).
Jetzt setzt der EuGH noch einen drauf:
Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne Begründung eines Abgeltungsanspruchs für nicht genommenen Urlaub untergeht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet. Eine solche Abgeltung kann nicht davon abhängen, dass der Betroffene im Vorfeld einen Antrag gestellt hat.
(EuGH, Urt. vom 12.6.2014 - C-118/13 "Bollacke")
Im Streitfall machte die Klägerin Ansprüche auf Urlaubsabgeltung ihres verstorbenen Mannes geltend. Dieser war vom 1.8.1998 bis zu seinem Tod am 19.11.2010 bei der Beklagten tätig. Im Jahr 2009 erkrankte Herr Bollacke schwer. In jenem Jahr war er 8 Monate arbeitsunfähig. Arbeitsunfähigkeit bestand auch vom 11.10.2010 bis zu seinem Tod. Zum Zeitpunkt seines Todes hatte Herr Bollacke Anspruch auf mindestens 140,5 offene Tage Jahresurlaub.
Deren Abgeltung hatte die Klägerin geltend gemacht. Nach diesem Urteil dürfte der Erfolg der Klägerin im Ausgangsrechtsstreit gewiss sein.