Verkauf von Kräutermischungen mit synthetischen Cannabiszusätzen: Wenn schon kein Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz, dann gegen das Vorläufige Tabakgesetz?
Gespeichert von Dr. Jörn Patzak am
Der EuGH hat entschieden, dass das Arzneimittelgesetz auf Kräutermischungen, denen keine dem BtMG enthaltenen Stoffe zugesetzt sind, und die nur konsumiert werden, um einen Rauschzustand zu erzielen, nicht anwendbar ist. Verkäufer solcher Kräutermischungen können daher nicht wegen unerlaubten Inverkehrbringens von Arzneimitteln belangt werden (s. meinen Blogbeitrag vom 20.8.2014).
Der 5. Strafsenat des BGH bringt bei dieser Sachlage nun einen neuen Straftatbestand ins Spiel. Er teilt nämlich in seinem Beschluss vom 5.11.2014 (5 StR 107/14 = BeckRS 2014, 22120) mit, dass seiner Ansicht nach das gewerbsmäßige Inverkehrbringen von zum Rauchen bestimmten Kräutermischungen, denen nicht in die Anlage II zum Betäubungsmittelgesetz aufgenommene synthetische Cannabinoide zugesetzt sind, nach § 52 Abs. 2 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 2 des Vorläufigen Tabakgesetzes (VTabakG) strafbar sein kann. Hierzu führt er aus:
„Das angefochtene Urteil stellt ausdrücklich fest, dass alle vertriebenen Kräutermischungen zum Rauchen bestimmt waren. Damit können sie als „Tabakerzeugnissen ähnliche Waren" im Sinne von § § 3 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst sein. Nach dieser Vorschrift ist allein maßgebend die dem Rohtabak ähnliche Zweckbestimmung (hier: Rauchen). Einbezogen sind unter anderem Erzeugnisse ähnlich Zigaretten, die aus Kräutern oder synthetisch erzeugten Rohstoffen hergestellt werden, ohne dass es darauf ankommt, ob sie mit Tabakerzeugnissen verwechselbar sind (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 157. EL 2011, Teil 9, Nr. 900, § 3 VTabakG Rn. 22; vgl. auch RGSt 14, 145, 147).
Die Zweckbestimmung trifft nach den Feststellungen auf die vertriebenen Kräutermischungen zu. Wortlaut und Wortsinn des § 3 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG bieten dabei keinen Ansatz, etwa solche tabakähnliche Erzeugnisse auszugrenzen, bei denen der Konsument wegen - in welcher Form auch immer -zugesetzter psychoaktiver Stoffe in der Folge des Rauchens eine Rauschwirkung erzielen will (vgl. aber dazu in Abgrenzung zum Arzneimittel - unklar -OLG Nürnberg, PharmR 2013, 94, 97). Der auch mit der Verbotsvorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 1 VTabakG verfolgte Zweck des Verbraucher- und Gesundheitsschutzes (vgl. VG Augsburg, Urteil vom 1. Oktober 2013 - Au 1 K 13.767, juris Rn. 22; Rohnfelder/Freytag in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 195. EL 2013, Vorläufiges Tabakgesetz, Vorbemerkungen Rn. 1) würde einer Reduktion im genannten Sinn widerstreiten. Gleichfalls enthält der Tatbestand anders als die in § 17 VTabakG normierten strafbewehrten (§ 52 Abs. 1 Nr. 9, 10 VTabakG) Verbote kein Täuschungselement, weswegen es nicht darauf ankommt, ob die Abnehmer die Zusammensetzung der jeweiligen Mischung kannten, insbesondere wussten, dass sie Cannabinoide enthielten.“
Der 5. Strafsenat beabsichtigt daher, die Sache insgesamt zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen. Er sieht sich daran aber zunächst gehindert, da die Entscheidungen des 2. Strafsenats vom 13.8.2014 (2 StR 22/13) und 3. Strafsenats vom 4.9.2014 (3 StR 437/12) der eigenen Auffassung entgegenstehen könnten, da diese Verkäufer der genannten Kräutermischungen freigesprochen hatten, ohne auf das Vorläufige Tabakgesetz einzugehen. Der 5. Strafsenat hat deshalb mit dem vorliegenden Beschluss bei diesen Senaten angefragt, ob sie seine Auffassung teilen.
Es bleibt also spannend, ob die Kräutermischungen ohne Zusätze, die dem BtMG unterliegen, wirklich so legal sind, wie oftmals behauptet.