Kassiererin Emmely gestorben – ihr Fall schrieb Arbeitsrechtsgeschichte
Gespeichert von Prof. Dr. Markus Stoffels am
Wie taz.de berichtet ist Barbara Emme am 16. März 2015 im Alter von 57 Jahren in Berlin an Herzversagen gestorben. Unter dem Namen Emmely ist sie bundesweit bekannt geworden. Ihr Fall hat Arbeitsrechtsgeschichte geschrieben. Die Problematik der Kündigung wegen geringwertiger Vermögensdelikte (etwas verharmlosend auch Bagatellkündigung genannt) wird wohl immer mit ihrem Namen verbunden bleiben (vergleichbar der Reinigungskraft Christel Schmidt und einer berühmten Entscheidung des EuGH zum Betriebsübergang). Zur Erinnerung: Emmely wehrte sich gegen eine Kündigung, die ihr im Februar 2008 von ihrem Arbeitgeber, der Supermarktkette Kaiser’s, ausgesprochen worden war. Grund der Kündigung war, dass Emmely angeblich zwei Leergutbons im Wert von 1,30 Euro eingelöst hatte, die in einer Filiale von Kunden liegen gelassen worden waren. Emmelys Fall hat eine breite Solidaritätswelle ausgelöst und zu einer aufgeregten öffentlichen Diskussion geführt. Die Kündigung wurde insbesondere in den Medien in einer bislang unbekannten Weise skandalisiert. In Talkshows diskutierten Politiker und Juristen über die Bagatellkündigung und die Verdachtskündigung als Instrumente, sich von (missliebigen) Arbeitnehmern zu trennen. Das BAG (10.6.2010, NZA 2010, 1227) gab in einer viel diskutierten Entscheidung (vgl. z.B. Stoffels, Die „Emmely”-Entscheidung des BAG – bloß eine Klarstellung von Missverständnissen?, NJW 2011, 118) letztlich der Klägerin recht. Der 2. Senat hielt die Kündigung für unwirksam. Der Vertragsverstoß sei zwar schwerwiegend und berühre den Kernbereich der Arbeitsaufgaben einer Kassiererin und habe damit trotz des geringen Werts der Pfandbons das Vertrauensverhältnis der Parteien objektiv erheblich belastet. Dennoch würden die zu Gunsten der Klägerin in die Abwägung einzustellenden Gesichtspunkte überwiegen. Dazu gehöre insbesondere die über drei Jahrzehnte ohne rechtlich relevante Störung verlaufende Beschäftigung, durch die sich die Klägerin ein hohes Maß an Vertrauen erworben habe. Dieses Vertrauen hätte durch den in vieler Hinsicht atypischen und einmaligen Kündigungssachverhalt nicht vollständig zerstört werden können. Im Rahmen der Abwägung sei auch auf die vergleichsweise geringfügige wirtschaftliche Schädigung der Beklagten Bedacht zu nehmen, so dass eine Abmahnung als milderes Mittel gegenüber einer fristlosen Kündigung angemessen und ausreichend gewesen wäre, um einen künftig wieder störungsfreien Verlauf des Arbeitsverhältnisses zu bewirken. Besonders bemerkenswert: Zwölf Tage nach diesem Urteil bekam Emmely - wie gewünscht - eine Stelle in einem Kaiser’s in ihrem Wohnviertel in Berlin-Hohenschönhausen. Auch nach ihren juristischen Sieg blieb Emmely politisch aktiv, beteiligte sich an einem Film und zwei Büchern über ihren Fall. Sie wurde auch zu politischen und sozialen Meetings nach Paris, Spanien und Venezuela eingeladen.