OLG Hamburg: Schlechte Gitarren und Youtube
Gespeichert von Prof. Dr. Thomas Hoeren am
In Hamburg sind die Nächte heiß und am Strand machen sich schweißumnebelte OLG-Richter Gedanken über schlecht gespielte Gitarrenklänge …
OLG Hamburg, Urteil vom 1. Juli 2015 - 5 U 87/12 und 5 U 175/10
Youtube ist im Verhältnis zur GEMA kein Täter bei der urheberrechtsverletzenden Bereitstellung von Musikvideos, sondern nur Störer (ähnlich übrigens auch LG München I, Urteil vom 30.6.2015 - 33 O 9639/14). Wird ein solcher Störer auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen, muss er nicht nur das konkrete Angebot unverzüglich sperren, sondern auch Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Schutzrechtsverletzungen kommt. Welche Pflichten den Dienstanbieter dabei treffen, insbesondere ob und wieweit er zur Sperrung und dann zur Prüfung und Überwachung der bei ihm hochgeladenen Inhalte verpflichtet ist, bestimmt sich danach, was dem Betreiber nach den Umständen des jeweiligen Falles zuzumuten ist. Eine Verletzung derartiger Pflichten hat der Senat in beiden Verfahren hinsichtlich einzelner Musiktitel bejaht und YouTube bzw. Google insofern zur Unterlassung verpflichtet angesehen.
Letztlich obliege YouTube eine "absolute Erfolgsabwendungspflicht" nach einer Inkenntnissetzung jegliche weitere Rechtsverletzung zu verhindern. Da die GEMA nicht Rechte an bestimmten Soundrecordings, sondern an dem zugrundeliegenden Werk als solches geltend mache, müsse YT auch den upload von Videos sämtlicher zukünftigen Werkfassungen verhindern. Das Gericht formuliert diesbezüglich selbst ein schönes Beispiel (5 U 87/12):
“In gleicher Weise rechtsverletzend - und dem tenorierten Unterlassungsgebot unterliegend - wäre aber z.B. auch ein Video, das ein Nutzer von seinem Urlaub am Mittelmeer bei YouTube hochlädt, auf welchem z.B. bei Laufzeit 32 min. 14 sec. seine Freunde nachts tanzend am Strand zu sehen sind und er diese Szene mit selbst auf der Gitarre (schlecht) gespielten 5 Takten der Melodie von “Ritmo de la noche” unterlegt, wobei die Musik zum Teil von Meeresrauschen überdeckt wird. […] Auch eine derartige Rechtsverletzung hat die Beklagte als Störer zu verhindern bzw. zu unterbinden." (S 101 des unglaublich langen Urteils, das man m.E. nur mit Fassungslosigkeit und Entsetzen zur Kenntnis nehmen kann)
Beide Urteile sind nicht rechtskräftig. In dem Verfahren 5 U 87/12 hat der Senat die Revision zugelassen, für die der Bundesgerichtshof zuständig wäre; Revision wurde auch eingelegt. In dem Verfahren 5 U 175/10 unterliegt die Entscheidung, die Revision nicht zuzulassen, der sogenannten Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof.
Volltext liegt "offiziell" noch nicht vor.