Missglückte Generalprobe für das deutsche Völkerstrafrecht
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Nach den Äußerungen des Gerichtsvorsitzenden im Rahmen der Urteilsverkündung sowie der ersten Stellungnahmen der Bundesanwaltschaft wie der Verteidigung nach der Urteilsverkündung war der erste Prozess nach dem bereits am 30.6.2002 in Kraft getretenen Völkerstrafgesetzbuch (VStGB), der vor mehr als vier Jahren beim OLG Stuttgart begann und am vergangenen Montag nach 320 Verhandlungstagen mit der Verurteilung zu langjährigen Haftstrafen sein Ende fand, eine missglückte Generalprobe. Theaterleute kennen viele aus reinem Aberglauben heraus entstandene Regeln, wie auch diese, dass eine schlechte, pannenreiche Generalprobe ein gutes Omen für die Premiere ist (und natürlich auch umgekehrt).
http://m.spiegel.de/politik/deutschland/a-1055142.html
Im Prozess ging es um Kriegsverbrechen im Jahre 2009 in der Demokratischen Republik Kongo durch Angriffe der FDLR im Ostkongo mit Gemetzeln mit hunderten von Toten.
Mit den Mitteln der Deutschen StPO lasse sich ein solches Verfahren nicht in den Griff bekommen, erklärte der Vorsitzende im Rahmen der Urteilsverkündung. Neben unüberwindbaren logistischen Problemen bei der Beweismittelbeschaffung stehe der "extreme Opferschutz der Aufklärungsverpflichtung diametral entgegen“.
Folgt man der Einschätzung des Vorsitzenden ist ein Gerichtssaal in Stuttgart nicht der richtige Ort, um Verbrechen aufzuklären, die sich vor vielen Jahren tausende Kilometer entfernt in einem der blutigsten Bürgerkriege ereignet haben.
Der die Anklage vertretende Bundesanwalt spricht nicht von einem Scheitern des VStGBs, sondern antwortet ausweichend, dass es der Justiz nicht zustehe, dem Gesetzgeber zu sagen, was er falsch oder richtig gemacht habe.
Die Verteidigung moniert, dass jedenfalls dieser Prozess die Bewährungsprobe für das VStGB nicht gelungen sei. Die StPO gewährleiste kein faires Verfahren für Auslandsprozesse.
Dass die deutsche Justiz gleichwohl völkerstrafrechtliche Prozesse mit den Mitteln der StPO führen kann, ist meine feste Überzeugung. Dies belegen allein schon die bereits durchgeführten äußerst umfangreichen Terrorismusverfahren, zumal wenn es um terroristische Vereinigung im Ausland ging. Erforderlich ist allerdings sich auf die veränderten Gegebenheiten bei Völker strafrechtlichen Verfahren einzustellen. Aber wie schon bei terroristischen Vereinigungen im Ausland kann nicht am Schreibtisch in Karlsruhe ermittelt werden, sondern dies kann nur vor Ort geschehen. Und wenn dies unterblieben sein sollte, ist das so gut wie irgend noch möglich nachzuholen. Die Ermittlungen werden mit zahlreichen Schwierigkeiten verbunden sein. Diese sind aber aktiv anzugehen und aus den gewonnenen negativen Erfahrungen muss sich ein Lern-und Umsetzungsprozess ergeben. Dies erfordert sicher auch erhebliche finanzielle Mittel (übrigens: das Stuttgarter Verfahren wird mit ca. 4,2 Millionen Kosten veranschlagt). Aber wenn der Gesetzgeber mit dem VStGB seinen Willen unterstreicht, Völkerstraftaten in Deutschland zu verfolgen, was ich für sehr wichtig halte, dann kann es damit allein nicht sein Bewenden haben.
Jetzt vertraue ich mal den Theaterleuten, nämlich dass auf eine missglückte Generalprobe die gelungene Premiere folgt.