Der Pfandbon erneut auf dem Weg zum BAG
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Das "Emmely"-Urteil des BAG, in dem das Gericht über die Wirksamkeit einer Kündigung wegen Unterschlagung zweier Pfandbons zu entscheiden hatte, gehört sicher zu den meist diskutierten arbeitsrechtlichen Urteile der letzten Jahre (BAG, Urt. vom 10.6.2010 - 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227).
Jetzt hat das LAG Düsseldorf die Revision in einem Verfahren zugelassen, das erneut gute Aussichten hat, für Schlagzeilen zu sorgen:
Die beklagte Arbeitgeberin stellte anlässlich einer Inventur fest, dass sich in verschiedenen Bereichen ihres Sortiments die Verluste im Vergleich zur vorausgegangenen Inventur mehr als verzehnfacht hatten (im Bereich Tabak/Zigaretten von 415 auf 5.076 Euro, im Bereich Non-Food von 300 auf 5.445 Euro). Nach Auswertung aller verfügbaren Unterlagen kam sie zu dem Schluss, dass die Fehlbestände auf Diebstählen ihrer Mitarbeiter beruhen müssen. Sie beantragte beim Betriebsrat die Einführung einer verdeckten Videoüberwachung, der dieser unter der Voraussetzung zustimmte, dass die Auswertung der Aufzeichnungen nur gemeinsam mit einem seinem Mitglieder erfolgen dürfe. Die daraufhin angefertigten Videoaufzeichnungen bestätigten nicht nur den von der Arbeitgeberin bereits zuvor gehegten Verdacht gegen zwei andere Arbeitnehmerinnen, sondern zeigten auch, wie die Klägerin eine im Kassenbereich befindliche "Musterflasche" über den Scanner des Kassenarbeitsplatzes zieht, eine Leergutregistrierung durchführt, die Kassenlade öffnet und Geld (3,25 Euro) aus der Kassenlade nimmt, das sie zunächst in den Kassenbereich legt und zu einem späteren Zeitpunkt in ihre Tasche steckt. Nach Anhörung der Arbeitnehmerin und Zustimmung (!) des Betriebsrats zur Kündigung kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht.
Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg:
Erstellt ein Arbeitnehmer einen falschen Pfandbon, um sich unter Verletzung des Vermögens seines Arbeitgebers das Pfandgeld rechtswidrig zuzueignen, ist der mit einer derartigen Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch auch bei einem geringfügigen Schaden jedenfalls dann besonders gravierend, wenn der betreffende Arbeitnehmer gerade damit betraut ist, die Vermögensinteressen des Arbeitgebers zu wahren, wie dies bei einer Kassiererin der Fall ist.
Der Verstoß gegen eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat, eine mit Zustimmung des Betriebsrats vorgenommene Videoüberwachung nur im Beisein des Betriebsrats auszuwerten, führt jedenfalls dann nicht zu einem Beweisverwertungsverbot, wenn der Betriebsrat der Verwendung als Beweismittel und der darauf gestützten Kündigung zustimmt und die Beweisverwertung nach den allgemeinen Grundsätzen gerechtfertigt ist.
Bei im Rahmen einer Videoüberwachung sich ergebenden "Zufallsfunden" muss das Beweisinteresse des Arbeitgebers höher zu gewichten sein als das Interesse des Arbeitnehmers an der Achtung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
Die Revision wurde zugelassen.
LAG Düsseldorf, Urt. vom 7.12.2015 - 7 Sa 1078/14, BeckRS 2016, 65271