"Experteninterviews" - Was ich von der Macromedia-Hochschule lernen durfte
Gespeichert von Prof. Dr. Thomas Hoeren am
Hin und wieder berichte ich hier gerne von den Irrungen und Wirrungen des Universitätsalltags. Daher hier eine merkwürdige Geschichte, die mich in Verbindung zur Macromedia-Hochschule (was auch immer das sein mag) brachte:
Vor einigen Wochen erreichte mich folgende Mail:
"Sehr geehrter Herr Dr. Hoeren, mein Name ist XXX und ich studiere momentan im fünften Semester Medienmanagement an der Macromedia Hochschule in Hamburg. Dieses Semester werden wir zur Vorbereitung auf die Bachelorarbeit in einer wissenschaftlichen Arbeit Primärforschung betreiben und auswerten. Meine Arbeit wird die Auswirkungen der Abhängigkeit der FAZ von Online Werbung behandeln.
Im Zuge meiner bisherigen Recherche zu dem Thema bin ich auf Ihrem Eintrag im Beck-Blog bezüglich des offenen Briefes der FAZ gestoßen, die dazu aufruft, AdBlocker auf http://www.faz.net abzustellen. Ihre Spezialisierung im Bereich des Informations- und Medienrechts und Ihre Sichtweise auf die Thematik des AdBlockers macht Sie zu einem geeigneten Kandidaten für eines von mehreren Experteninterviews, die ich für meine Arbeit durchführen möchte. Wären Sie bereit, sich von mir zu dem Thema - gern auch per Email oder Skype etc - befragen zu lassen?"
Ich sagte postwendend per Mail ab und bekam daraufhin eine Mail von einer "Vice Dean/Head of Media School": "Herr XXX soll in seiner Projektarbeit Experteninterviews führen. Für sein Thema (Adblocker – News Online Websites) kämen Sie dafür in Frage. Darf ich Sie bitten, Ihre Ablehnung ein wenig genauer zu erklären?"
Zähneknirschend erläuterte ich der "Kollegin" meine Reaktion: "Besten Dank für Ihre Anfrage. Ich bekomme fast jede Woche Anfragen für ein "Experteninterview" für Projektarbeiten. Diese beruhen typischerweise auf schlecht oder gar nicht recherchierten Grundfragen auf dem Niveau "Warum meinen Sie, dass Adblocker verboten/nicht verboten sind?" M.E. sind das nur schlecht kaschierte Täuschungsversuche; der Studierende ersetzt eigene Forschungsleistungen durch das Interview mit dem "Experten". An solchen Täuschungsversuchen darf ich mich nicht beteiligen.
Alles weitere habe ich auch noch einmal beispielhaft erläutert unter
http://blog.beck.de/2008/05/27/was-man-von-jurastudenten-so-als-umfrage-bekommt. "
Keine Reaktion der "Kollegin" - auch auf Nachfrage nicht. Dies weckt in mir einen furchtbaren Verdacht: Offensichtlich veranlassen Dozenten vornehmlich aus dem Fachhochulbereich ihre Studierende weniger dazu, zu lesen und sich in einen Thema intensiv einzuarbeiten. Stattdessen hetzen sie die verwirrten Jung-Forscher zu Interviews mit "Experten" und nennen das "Primärforschung". Liebe Macromedia-Hochschule, liebes Siebelius-Institut, liebe Hochschule der Künste Berlin, und, und, und: Stop that nonsense. Lasst den Unsinn der "Experteninterviews" bitte sein - und macht Eure Hausaufgaben in der Lehre selbst! Nervt uns nicht mit Euren verquasten Jungsemestern - bringt ihnen lieber bei, wie man ein Buch liest!
Ihr Thomas Hoeren