Hauptverhandlung zum Brandanschlag in Altena - immer noch kein politisches Motiv?
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Im Oktober 2015 fand im nordrhein-westfälischen Altena ein glücklicherweise nicht folgenschwerer Brandanschlag auf ein Wohnhaus statt, in das zuvor eine Flüchtlingsfamilie eingezogen war. Einer der jetzt Angeklagten war damals Feuerwehrmann. Polizei und Staatsanwaltschaft sahen weder politische Motive noch einen Tötungsvorsatz. Auf Intervention der Nebenklage wurde dann doch vor dem Schwurgericht wegen versuchten Mordes eröffnet. Siehe dazu meinen Beitrag vom Oktober 2015:
Nun hat in Hagen die Hauptverhandlung begonnen. Das regionale Nachrichtenprotal come.on berichtet ausführlich,
Auszug:
Die Nebenklage beschäftigte sich auch mit Dirk Ds. Handy und darauf enthaltenen Fotos. Sie stellte einen Beweisantrag des Inhaltes, eine Reihe von sexistischen und sexistisch und fremdenfeindliche Aufnahmen sowie solche, die sich über Behinderte lustig machen, öffentlich zu zeigen. Die beiden Opferanwälte Jost von Wistinghausen und Dr. Mehmet Daimagüler argumentieren, diese Aufnahmen seien Beleg für eine „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Dirk D. habe den Brand „aufgrund seiner tiefverwurzelten rassistischen Einstellung“ gelegt, für die diese Aufnahmen der Beleg seien.
Daimagüler hat auf Facebook geschrieben:
Komme gerade von der Hauptverhandlung in Hagen gegen zwei junge Männer, die ein Haus mit Flüchtlingen in Altena angezündet haben sollen. Zunächst hatte die Staatsanwaltschaft Hagen nur wegen Brandstiftung anklagen wollen, obwohl die Angeklagten wussten, dass sich im Haus Menschen befanden und sie sogar einen Brandmelder zerstört hatten. Wir, d.h. mein Kollege Jost von Wistinghausen und ich als Nebenklagevertreter hatten Beschwerde eingelegt. Erst dann wurde die Anklage an das Schwurgericht verwiesen und eine Anklage wegen versuchten Mordes erhoben.
Ein wichtige Beweisquelle sind die beschlagnahmten Handys der beiden Männer. Diese wurden von der Staatsschutzabteilung der Polizei Hagen ausgewertet. Sie kam zu dem Ergebnis, dass auf den Handys "nichts Verdächtiges" zu finden sei. So heißt es im Vermerk des zuständigen Beamten, so führte er als Zeuge vor Gericht aus. Jost und ich machten uns dennoch die Mühe, selber durch die Datenträger zu gehen, die als Kopie Teil der Verfahrensakte sind. Schnell wurden wir fündig: auf einem Handy finden sich immer wieder Hitler-Portraits, Hakenkreuze en masse, menschenverachtende Fotos und Videos von Migranten und behinderten Menschen und frauenverachtende und sexistische Fotos. Letzteres ist wichtig, weil einer der Angeklagten vor Gericht ausgesagt hatte, er habe das Haus angezündet, weil er wegen der Flüchtlinge "Angst um die Frauen" gehabt hätte. Uns war zudem auch aufgefallen, dass bei dem zweiten Angeklagten in erheblichen Ausmaß Fotos gelöscht wurden, unmittelbar bevor dieser sich der Polizei stellte. Diese sollen nun wiederhergestellt werden.
Die Empörung Daimagülers ist verständlich: Kann man einer polizeiliche Staatsschutzabteilung vertrauen, die auf einem Handy gespeicherte Hakenkreuze und Hitlerportraits ignoriert?
Update 12.09.2016:
Die Attentäter sind verurteilt, wegen schwerer Brandstiftung zu sechs und fünf Jahren Freiheitsstrafe. Ein Tötungsvorsatz konnte nicht nachgewiesen werden (in dubio pro reo). Bericht des WDR:
http://www1.wdr.de/nachrichten/westfalen-lippe/brandanschlag-altena-urte...