"Junges dynamisches Unternehmen" als Indiz für Altersdiskriminierung?
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Als Arbeitgeber muss man sich offenbar jung und dynamisch präsentieren, wenn man geeignete Bewerberinnen und Bewerber ansprechen will (sehen Sie einem Hochschullehrer, der an der 1388 gegründeten Universität zu Köln tätig ist, bitte nach, dass er schon nicht versteht, warum es ein Qualitätskriterium sein soll, dass ein Unternehmen "jung" ist). Dass damit eine Benachteiligung Älterer einhergehen kann, sollte sich aber inzwischen herumgesprochen haben. Das gilt insbesondere für die IT-Branche, in der auffällig viele Verfahren um eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geführt werden.
Die Beklagte hatte mehrere Stellen für erfahrene Java-Software-Entwickler (m/w) aus- und dabei über sich geschrieben:
Die S-T. GmbH ist ein junges und dynamisches Unternehmen mit 65 Mitarbeitern am Stadtrand von H. Das Kerngeschäft liegt im internationalen elektronischen Handel mit Finanzinstrumenten jeglicher Art in eigenem Namen. S ist Mitglied an fast allen europäischen Börsen und Handelsplätzen und hat weitere Märkte über internationale Broker angebunden.
Die Klägerin, die es vor einigen Jahren schon einmal zum EuGH geschafft hatte, sah sich (u.a.) wegen ihres Alters diskriminiert und verlangt eine Entschädigung in Höhe von 10.000 Euro. Das Arbeitsgericht Lübeck hat die Klage abgewiesen. Die Berufung blieb vor dem LAG Schleswig-Holstein erfolglos. Das Gericht analysiert den Text der Stellenanzeige genau und sieht im Vergleich zu Formulierungen wie "Sie erwartet ein junges dynamisches Team" hier kein Indiz für eine Benachteiligung (§ 22 AGG):
Als Anknüpfungspunkt für die Vermutung einer Benachteiligung wegen des Alters kommt hier der Text der Stellenausschreibung in Frage. Im ersten Satz des ersten Absatzes der Anzeige bezeichnet sich die Beklagte als „ein junges und dynamisches Unternehmen“.
Besetzungskriterien oder Wünsche an das Alter der Bewerber werden damit nicht formuliert. Nach Aufbau und Wortlaut der Anzeige handelt es sich bei dem ersten Absatz der Anzeige formell um eine Darstellung des Unternehmens. Dem Leser wird mitgeteilt, wo das Unternehmen liegt (Stadtrand von H.), wie groß die Belegschaft ist (65 Mitarbeiter) und dass es sich um ein „junges Unternehmen“ handelt. Der zweite Satz beschreibt das Kerngeschäft, der dritte die Vernetzung der Beklagten. Das sind alles unternehmensbezogene Informationen. In diesem Zusammenhang liegt es fern, das Adjektiv „junges“ auf die Belegschaft oder die erwünschten Bewerber zu beziehen. Der Leser der Anzeige erfährt über die Worte „junges dynamisches Unternehmen“ vielmehr, dass die Beklagte noch nicht lange auf dem Markt tätig ist. Damit unterscheidet sich die Formulierung deutlich von den möglicherweise problematischen Beschreibungen „Wir sind ein junges, dynamisches Team“, „Es erwartet Sie ein junges, dynamisches Team“ oder „Wir bieten Ihnen ein junges, dynamisches Team“ (vgl. dazu 08.08.2013 - 26 Sa 1083/13; 10.02.2014 - 3 Sa 27/13; LAG Hamburg ).
Die Revision wurde zugelassen.
LAG Schleswig-Holstein, Urt. vom 4.5.2016 - 6 Sa 419/15, BeckRS 2016, 71598