Ist Methamphetamin eine harte Droge?
Gespeichert von Dr. Jörn Patzak am
Mit Beschluss vom 15.6.2016 hat der 1. Strafsenat des BGH die Erwägung eines Landgerichts, bei Methamphetamin handele es sich um eine harte Droge, die im Rahmen der Strafzumessung strafschärfend gewertet werden könne, beanstandet und das Urteil auf die Revision des Angeklagten im Strafausspruch aufgehoben (Az. 1 StR 72/16). Der BGH hat hierzu Folgendes ausgeführt:
„Die straferschwerende Bewertung des LG, dass es sich bei Methamphetamin ,gerichtsbekannterweise um eine extrem gefährliche und gesundheitsschädigende Droge mit hohem Suchtpotential handelt‘, sowie inhaltlich ähnliche Formulierungen begegnen im vorliegenden Fall durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Senat besorgt deshalb, dass das LG Methamphetamin als mindestens so gefährlich wie Heroin eingeschätzt und damit das in der höchstrichterlichen Rspr. anerkannte vorgenannte Stufenverhältnis außer Acht gelassen hat. Zutreffend ist zwar, dass es sich bei dem Rauschgift Methamphetamin um ein durchaus gefährliches Betäubungsmittel mit hohem Suchtpotential handelt (so BGH Beschl. v. 9.7.2015 – 1 StR 7/1, NStZ-RR 2015, 283). Dies bedeutet allerdings nicht ohne weiteres, dass es hinsichtlich seiner Gefährlichkeit mit „harten“ Drogen, wie Heroin, Fentanyl, Kokain und Crack, gleichzusetzen ist (dazu auch BGH Urt. v. 17.11.2011 – 3 StR 315/10, NJW 2012, 400 [401 aE]), zumal eine solche Annahme durch das LG auch nicht näher belegt wurde.“
Ich habe diese Entscheidung zum Anlass genommen, die aufgeworfene Frage um die Gefährlichkeit von Methamphetamin gemeinsam mit Dr. Dahlenburg, Apotheker für experimentelle Pharmakologie und Toxikologie beim BKA, in einem Beitrag in der NStZ (Neue Zeitschrift für Strafrecht) zu beleuchten. Die wesentlichen Ergebnisse möchte ich hier kurz vorstellen:
Zunächst ist zu beachten, dass im BtMG drei Stoffe aus der Gruppe der Methamphetamine als Betäubungsmittel aufgeführt sind, die es zu unterscheiden gilt, nämlich
- Methamphetamin = rechtsdrehende Form ([2S]-Methamphetamin / (2S)-N-Methyl-1-phenylpropan-2-amin),
- Levmetamfetamin = linksdrehende Form ((R)-(Methyl)(1-phenylpropan-2-yl)azan),
- Metamfetaminracemat = gemischte Form mit gleichen Anteilen an Methamphematin und Levmetamfetamin
([RS]-Methamphetamin/ (RS)-(Methyl)(1-phenylpropan-2-yl)azan).
Auf dem deutschen Markt kommen Methamphetamine zurzeit fast ausschließlich als Methamphetamin in kristalliner Form (sog. Crystal oder Crystal Meth) vor. Dieses wirkt ohnehin schon deutlich stärker als Levmetamfetamin und Metamfetaminracemat. Hinzu kommt, dass Crystal bevorzugt geraucht und nicht nasal konsumiert wird, wodurch die Wirkung innerhalb weniger Minuten einsetzt und sich die Verfügbarkeit an Wirkstoff im Vergleich zur oralen Aufnahme erhöht. Die Folge ist eine höhere Potenz, eine längere Wirkdauer und ein erhöhtes Abhängigkeitspotential.
Im Hinblick auf dieses Gefährdungspotential von Methamphetamin schlagen wir vor, Methamphetamin (also die in Deutschland fast ausschließlich vorkommende Form der rechtsdrehenden Variante) als harte Droge und damit als Strafschärfungsmerkmal einzustufen. Demgegenüber halten wir Levmetamfetamin und Metamfetaminracemat – wie Amphetamin –lediglich für ein Betäubungsmittel mittlerer Gefährlichkeit.
Den Beitrag mit Einzelheiten zur Geschichte von Methamphetamin, zur chemischen Einordnung und zu den Wirkweisen finden Sie in der Oktober-Ausgabe der NStZ auf Seite 614 ff.