Wundertüten in der Berichterstattung
Gespeichert von Prof. Dr. Claus Koss am
Das Fest des Heiligen Nikolaus (am 6. Dezember) eignet sich besonders, über "Schuld und Sühne" nachzudenken. Zumindest in den Kindertagen des Verfassers kam an diesem Tag ein streng blickender Herr mit Bart, dessen finster drein blickender Geselle oder er selber aus einem Buch (in der Regel rot oder golden eingebunden) vorlas. Je nach Inhalt gab es ein paar symbolische Schläge mit der Rute und/oder eine kleine/rote Tüte mit Süßigkeiten, alternativ: Obst und Nüsse. Die Wirkung diese pädagogischen Maßnahmen sollte zwar ein ganzes Jahr halten, war aber schon zeitlich begrenzt.
Gutes tun und davon berichten heißt bei Unternehmen "Corporate Social Responsibility Reporting" (CSR-Reporting). Darunter wird die Berichterstattung über diejenigen (freiwilligen) Aktivitäten eines Unternehmens zu einer nachhaltigen Entwicklung verstanden, die
- verantwortliches unternehmerisches Handeln in der eigentlichen Geschäftstätigkeit (Markt),
- ökologisch relevante Aspekte (Umwelt) bis hin zu den
- Beziehungen mit Mitarbeitern (Arbeitsplatz) und
- de Austausch mit den relevanten Anspruchs- bzw. Interessengruppen (Stakeholdern).
fördern sollen.
'Compliance' umfasst im Gegensatz dazunach hier vertretener Definition die Aktivitäten, die gesetzlich oder aufgrund anderer Normen verpflichtend für das Unternehmen sind. CSR betrifft die darüber hinausgehenden Aktivitäten.
Bereits am 6. Dezember 2014 trat die Richtlinie 2014/95/EU (CSR-Richtlinie) in Kraft. Diese muss bis zum Nikolaustag dieses Jahres in nationales Recht umgesetzt werden. Seit 21.09.2016 liegt der Regierungsentwurf eines CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (RegE CSRRL-UmsG) vor.
Nach Richtlinie und nationalem Umsetzungsgesetz müssen große Unternehmen (mehr als 500 Mitarbeiter) von öffentlichem Interesse (z.B. börsennotierte Unternehmen, Kreditinstitute, Versicherungen) Informationen zumindest in folgenden Bereichen veröffentlichen:
- Umweltbelange
- Sozialbelange
- Arbeitnehmerbelange
- Achtung der Menschenrechte
- Bekämpfung von Korruption und Bestechung.
Erstens, Aussage:
Die Regulierung der Finanzberichterstattung macht Sinn!
Es lässt sich wirtschaftshistorisch zeigen, dass Finanzmarktkrisen immer Krisen bei der Regulierung der Finanzberichterstattung vorausgingen.
Zweitens, Anfrage:
Macht die Regulierung der Berichterstattung nichtfinanzieller Leistungsindikatoren durch den Gesetzgeber Sinn?
Im Regierungsentwurf zum "Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten (CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz)" (S. 1) heißt es zur Gesetzesbegründung:
Sogenannte nichtfinanzielle Informationen zu Themen wie die Achtung der Menschenrechte, Umweltbelange oder soziale Belange bilden einen immer wichtigeren Bereich der Unternehmenskommunikation. Investoren, Unternehmen sowie Verbraucherinnen und Verbraucher verlangen insoweit vor allem mehr und bessere Informationen über die Geschäftstätigkeit von Unternehmen, um zu entscheiden, ob sie investieren, Lieferbeziehungen eingehen oder Produkte erwerben und nutzen.
So weit, so gut, aber ist dies nicht mehr als eine unbewiesene Behauptung?
So schlimm es der Verfasser findet, diese Aussage zu treffen: wenn "Themen wie die Achtung der Menschenrechte, Umweltbelange oder soziale Belange" entscheidend für Konsumenten und Investoren wären, müssten viele Waren und Investments unverkäuflich sein.
Im Bestreitensfalle folgendes Gedankenexperiment:
Denken Sie an Ihren letzten Kleidungskauf und fragen Sie sich selbstkritisch: Was war kaufentscheidend? Haben Sie das Kleidungsstück, das Ihnen ansonsten gut gefallen hätte, zurückgelegt, weil Sie gelesen haben, wo es produziert wurde?
ABER: Investoren, vor allem aber Konsumenten haben einen, wenn nicht den entscheidenden Einfluss auf die Achtung der Menschenrecht, Umwelt- und soziale Belange.
Zweimal anecdotical evidence:
- Anti-Apartheid-Kampagne: "Keine Bananen aus Südafrika" zu Beginn der 1980er Jahre.
Nach Einschätzung des Verfassers kam Nelson Mandela nicht deswegen (früher) aus dem Gefängnis frei, weil die Konsumenten massenweise keine Bananen und andere Südfrüchte aus Südafrika kauften. Aber jeder Importeur bemühte sich um den Nachweis, dass an seinen Früchten "kein Blut" klebte. - Keine Versenkung der Brent Spar in der Nordsee. Die Ölplattform sollte in der Nordsee versenkt werden. Als die Verbraucher bei der zugehörigen Marke nicht mehr dankten, wurde sie onshore gezogen. Doch das ökologische Gewissen wirkte augenscheinlich nicht lange, die Umweltschäden aus der Deepwater Horizon-Katastrophe im Golf von Mexiko wurden von staatlichen Behörden geahndet.
Will heißen, es steht zu befürchten, dass verpflichtende Corporate Social Responsibility Reports zweierlei Verhalten fördern:
- "Greenwashing", also die Beschränkung aus Unternehmenssicht positiven Nachrichten und
- Die Formulierungskünste und juristische Vorsichtsmaßnahmen.
Drei - wohlgemerkt vollkommen fiktive - Beispiele:
- "Wir verkaufen unsere Autos auch in einem bevölkerungsreichen asiatischen Land. Natürlich teilen wir das dort vertretene Verständnis von Menschenrechten nicht. Aber es ist nun einmal einer der am schnellsten wachsenden Märkte."
- "Wir finden es auch nicht in Ordnung, dass bei unserem südasiatischen Hersteller Löhne bezahlt werden, die ein Leben nur ermöglichen, wenn sich die Mitarbeiter aufarbeiten. Aber die deutschen Schnäppchenjäger sind nicht bereit, auch nur 50 Cent für das T-Shirt mehr zu bezahlen."
- "Wir vertreiben unsere Maschinen auch in einem Land, das nicht mehr Mitglied im UN-Menschenrechtsrat ist. Aber dort gibt es einfach viel Rohstoffe zu fördern."
- "Wir würden unseren Milchbauern auch gerne kostendeckende Preise bezahlen, aber der Wettbewerb im Einzelhandel in Deutschland ist ruinös."
Drittens, Vorschlag:
Warum die Unternehmenskommunikation nicht den Unternehmen überlassen?
Nach Einschätzung des Verfassers wäre es viel effektiver, die Beurteilung der Corporate Social Responsibility dem Konsumenten und dem Investor zu überlassen. Laut Finanzanalysen machen die meisten "CSR"-gemanagten Fonds nachhaltig eine höhere Rendite als 'konventionelle'. 'Lügen' haben auf dem Markt 'kurze Beine' (Beispiel: Abgaswerte).