Judges vs The People (The Press?)
Gespeichert von Prof. Dr. Claus Koss am
"BREXIT Betrayal" - von 'Betrug' spricht die auch ansonsten nicht zimperliche, konservative Britische Presse, hier: "The Daily Mail". Auf ihrer Website zeigt die Zeitung, dass die Richter des Supreme Court "Brussels Man" seien oder enge Verbindungen zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte unterhielten. Daher, so wird unterschwellig zum Ausdruck gebracht, hätten die höchsten britischen Richter kein Recht, den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union ("BREXIT") gegen den erklärten Volkswillen zu blockieren.
Die vorhergehende Instanz, der High Court, hatte entschieden, dass es der Zustimmung des Parlaments vor Beginn des Austrittsverfahrens nach Art. 50 des EU-Vertrags bedürfe (High Court of Justice, Beschluss v. 03.11.2016, Re (Miller) - [2016] EWHC 2768 (Admin)).
Die Reaktion der konservativen britischen Presse: Die entscheidenden Richter, alle namentlich benannt und mit Bild, Lord Chief Justice, Lord Thomas of Cwmgiedd, the Master of the Rolls, Sir Terence Etherton, und Lord Justice Sales, seien 'Volksfeinde' ("Enemies of the people", Daily Mail). Der ebenfalls konservative Daily Telegraph überschrieb das Verfahren: "The judges versus the people".
Die eher links orientierte Britische Presse hielt pflichtbewusst dagegen. Sie zitiert den früheren Justizminister, Lord Falconer: es sei Aufgabe seiner Amtsnachfolgerin, Liz Tuss, die Unabhängigkeit der Justiz zu schützen (The Guardian, 05.11.2016, S. 6).
Jenseits aller Schlagzeilen auf der Insel wirft der Fall ein Schlaglicht auf einen verfassungsrechtlichen Konflikt zwischen der repräsentativen Demokratie und Elementen der direkten Demokratie. Was ist, wenn eine wie auch immer zu ermittelnde Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger eine andere Meinung hat als die parlamentarische Mehrheit?
Im jetzt beschlossenen Grundsatzprogramm der CSU heißt es: "Wir wollen, dass das Grundgesetz durch das deutsche Volk auch auf dem Weg von Volksbegehren und Volksentscheid mit Zweidrittel-Mehrheit geändert werden kann. Der Wesenskern der Verfassung, der Grundrechte und der föderalen Ordnung sind davon ausgenommen." Nun sind Parteiprogramme, die ein Jahr vor der Bundestagswahl beschlossen werden, noch keine Gesetzentwürfe. Aber die fachliche Diskussion darf schon beginnen: wie werden sich die 'checks and balances' in unserem Verfassungssystem verändern, wenn wir mehr direkte Demokratie wagen? Welche Bindungswirkung entfalten die Volksentscheide für das Parlament (siehe High Court-Entscheidung)? Stehen die Volksentscheide dann ggfs. über den höchsten Gerichten (siehe Pressekampagne)?