Bernd Rüthers „Die heimliche Revolution vom Rechtsstaat zum Richterstaat“
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Meinen Blogbeitrag zur „Akte Rosenburg“ habe ich mit dem Hinweis auf Bernd Rüthers „Die heimliche Revolution vom Rechtsstaat zum Richterstaat“ beendet. Warum? Weil Rüthers in seiner Publikation stringent darlegt, dass bei der Perversion der Rechtsordnung im Nationalsozialismus es sich auch methodisch nicht um einen einmaligen Vorgang handelte. Diese „heimliche“ sich stets wiederholende Revolution sollte deshalb ein Thema sein, das jeden Juristen interessiert.
Jede neue Verfassungsepoche in den vergangenen 100 Jahren brachte in Deutschland eine je eigene auf ihre Grundwerte und Ziele ausgerichtete Rechtsordnung hervor. Zwischen 1919 und 1989 durchlebte Deutschland sechs total verschiedene politische Systeme und Verfassungen (Kaiserreich, Weimarer Republik, NS-Staat, Besatzungsregime, Bundesrepublik alt, DDR, Bundesrepublik neu mit Beitritt der DDR und Anpassung an die supranationale Rechtsordnung der EU). Trotz dieser sehr unterschiedlichen Systeme und Verfassungsbrüche blieben jeweils große Teile der überkommenen Gesetze bestehen. Die veränderten Vorstellungen erforderten Umstellungen. Justiz und Rechtswissenschaft entwickelten dabei spezifische Kooperationstechniken, um jeweils eine neue Rechtsidee, neue Begriffslehren und neue dogmatische Systeme zu konstruieren. Der jeweilige Verfassungswandel verursachte stets auch einen Methodenwechsel – und damit haben Justiz und Rechtswissenschaft deshalb reiche Erfahrungen.
Nach dem jeweiligen Zusammenbruch eines Systems versuchten die Funktionseliten mehrheitlich, ihre Rolle darin zu verschweigen und zu verdrängen. Dadurch wird die historische Aufarbeitung totalitärer Systeme unter Umständen über Jahrzehnte gebremst. Und damit wären wir wieder bei der Akte Rosenburg, wo für die Zeit des NS-Staats detailliert nachgelesen werden kann, was Rüthers in größeren Zusammenhang analysiert und dabei in größerem Zusammenhang eindrucksvoll herausarbeitet, dass es um die Machtverteilung zwischen Gesetzgebung und Justiz geht. Es geht gerade auch aktuell darum, ob und wieweit die Justiz als „dritte Gewalt“ zur ersten Gewalt wird und werden darf. Sehr deutlich wird: Methodenfragen sind Verfassungsfragen und wir stehen vor der Frage, ob es ratsam oder vielleicht sogar geboten erscheint, die „Demokratisierung der Methodenlehre durch Methodengesetzgebung“ zu fördern (S. 196).